Paralympics-Siegerin Anna-Lena Forster über Südkorea und ihr Studentenleben KARRIERE & CAMPUS | 27.04.2018 | Isabel Barquero

Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung: Anna-Lena Forster hat gleich zwei Mal Gold bei den Paralympischen Spielen in Pyeongchang geholt. Erfolgreich war sie in den Disziplinen Slalom und Super-Kombination. Außerdem studiert die Monoskifahrerin Psychologie in Freiburg. Im Interview mit Volontärin Isabel Barquero erzählt die 22-Jährige, wie sie den Spagat zwischen Teilzeit-Studium und Leistungssport schafft.

chilli: Die Winter-Paralympics liegen einige Wochen zurück. Wie war der Empfang?
Forster: Ich hatte nach meiner Rückkehr jeden Tag einen Termin. Es gab einen herzlichen Empfang in meinem Heimatdorf. Es war überwältigend zu sehen, wie viele Leute das verfolgt und mitgefiebert haben.

chilli: 2014 haben Sie in Sotschi bereits mehrere Medaillen geholt. Wie hoch waren die Erwartungen an Sie?
Forster: Sotschi waren meine ersten Spiele. Es war relativ unerwartet, dass ich zwei Mal Silber und ein Mal Bronze geholt habe. Ich wusste, dass ich damals viel Glück hatte. In vier Jahren passiert enorm viel. Man weiß durch die ganzen Welt-Cup-Rennen davor, wo man steht. Dadurch macht man sich aber selber Druck.

chilli: Die ersten Tage lief es in Südkorea nicht wie geplant: Bei der Abfahrt sind Sie gestürzt und im Super-G wurden Sie nur Vierte. Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?
Forster: Die ersten Tage sind nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Es war wichtig, dass meine Eltern dabei waren und mich unterstützen konnten. Nach der Abfahrt habe ich mir selber gut zugeredet und positiv auf die nächsten Rennen geschaut. Aber wenn man dann am nächsten Tag mit ganz knappem Rückstand Vierte wird, ist es schon sehr frustrierend. Ich musste schauen, dass ich aus diesen negativen Gedanken wieder herauskomme.

chilli: Sie hatten fünf Wettkämpfe in neun Tagen. Wie kräftezehrend sind die Spiele?
Forster: Es ist unheimlich anstrengend. Wir sind immer um 4.30 Uhr aufgestanden, weil wir eine Stunde zum Hang fahren mussten. Nach der Rückfahrt konnte man nur schnell duschen, im Deutschen Haus gab es immer Abendprogramm. Wenn man eine Medaille geholt hat, musste man anschließend noch ins ARD- oder ZDF-Studio. Ich habe in der Zeit abgenommen, durch den Stress kam das Essen oft zu kurz.

chilli: Der Hang war eine Stunde entfernt. Optimale Bedingungen für Sportler sehen anders aus …
Forster: Es gab nur eine Nation, die vor Ort im Hotel gewohnt hat. Alle anderen mussten diese Stunde auch fahren, daher war es für alle gleich. Aber es ist nicht optimal. Wenn man einem Ort wie Pyeongchang solche Spiele gibt, dann müssen die sich anders vorbereiten oder man trägt die Spiele halt woanders aus.

Goldenes Doppel: Die Goldmedaillen bekommen bei ihr zu Hause einen Ehrenplatz.

chilli: Sie studieren Psychologie in Freiburg. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Leistungssport und Studium?
Forster: Ich habe mir meinen Studiengang extra in Freiburg ausgesucht, weil hier der Olympiastützpunkt und der Laufbahnberater ist. Von Anfang an hat das Institut für Psychologie mit dem Stützpunkt kooperiert, sodass die Zusammenarbeit sehr gut läuft. Zeitlich studiere ich im achten Semester, inhaltlich bin ich aber erst im Vierten. Ich schreibe meine Winterklausuren immer zum Nachschreibetermin im Sommer. Heißt für mich doppelte Arbeit, aber anders geht es nicht. Einen Nachteil gibt es aber: Ich fehle im Winter bei vielen Vorlesungen, dadurch bekomme ich Details, die wichtig gewesen wären, nicht mit.

chilli: Wer unterstützt Sie finanziell?
Forster: Verdienen tut man als Leistungssportler nicht viel. Mittlerweile kommt man aber bei null raus. Am Anfang haben mich meine Eltern unterstützt. Es gibt auch monatlich Geld von der Deutschen Sporthilfe, je nachdem in welchem Kader man ist. Seit Neuestem gibt es auch Förderprogramme vom Bund für Behindertensportler. So kann ich mein Studium so lange ziehen, wie ich es brauche, ohne von meinen Eltern finanziell abhängig zu sein.

chilli: Was sind Ihre studentischen und sportlichen Ziele für die Zukunft?
Forster: Im Studium möchte ich 2020 die Bachelorarbeit schreiben. Aber in der Psychologie kommt man damit nicht weit, daher muss ich den Master noch machen. Nächsten Winter ist die Weltmeisterschaft, in vier Jahren sind wieder Paralympics. Mir fehlt bei der WM noch die Goldmedaille, das wäre noch ein großes Ziel für mich.

Biografie

Anna-Lena Forster ist 22 Jahre alt, in Stahringen bei Radolfzell aufgewachsen und ohne rechtes Bein und mit einem verkürzten linken Bein auf die Welt gekommen. Seit sie sechs Jahre alt ist, fährt sie Ski. Allerdings nicht mit zwei Skiern, sondern nur mit einem – mit dem sogenannten Monoski. Dabei sitzt Forster in einer Schale. Den Monoski lenkt sie aus der Hüfte und dem Rumpf. Die Krückski, die sie in den Händen hält, sind für die Stabilität da. Mit elf Jahren kam sie ins Nachwuchsteam. Ihr erstes internationales Rennen hatte Forster 2009. Bei ihrem ersten Welt-Cup war sie 17. Im Sommer trainiert sie sechs Mal die Woche. Wenn der Aufzug an der Uni mal nicht funktioniert, kann sie mit ihren Krücken die Treppen hochlaufen.

Fotos: © iba, Paul Hoffmann