Angst vorm Absturz: Eine depressive Studentin berichtet vom Kampf an der Uni KARRIERE & CAMPUS | 28.04.2018 | Till Neumann

Depressionen, Angststörungen, Panikattacken. Immer mehr junge Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen. Um 76 Prozent ist die Zahl der diagnostizierten Depressionen gestiegen. Eine Betroffene ist Maria (Name geändert).

Die Freiburger Studentin leidet unter ihren Ansprüchen und denen der Uni. Sie sagt: So geht es vielen.

„Man sitzt in der Uni und weiß nicht, wie man es überleben soll“, erzählt Maria. Die Germanistik-Studentin ist depressiv und hat Angststörungen. Immer wieder durchlebt sie Phasen, in denen sie wie gelähmt ist: „Man liegt im Bett, macht nichts, hasst sich dafür“, sagt die Mittzwanzigerin in einem Café beim Freiburger Campus. Gefangen sei sie dann, in einem unfassbaren Loch, zerrissen vom gleichzeitigen Drang nach Anerkennung.

Was Maria berichtet, ist keine Seltenheit: Laut dem Barmer-Arztreport 2018 ist jeder sechste Student psychisch krank. Rund 470.000 Menschen sind das. „Vieles spricht dafür, dass es künftig noch deutlich mehr psychisch kranke junge Menschen geben wird“, sagt Barmer-Chef Christoph Straub. Verantwortlich macht er Zeit- und Leistungsdruck sowie finanzielle Sorgen und Zukunftsängste.

Mit dem Druck hat auch Maria zu kämpfen. „In meinem Jahrgang gibt es unfassbar viele Genies“, sagt sie. Man stehe im dauernden Wettstreit, vergleiche sich permanent. Schon bei einer 1,3 bekomme sie einen ­Zusammenbruch. Sie sagt: „Man braucht Bestnoten – das wurde mir so beigebracht.“

Die Dozenten fördern das, findet Maria. Nur ein einziger habe ihr in drei Jahren gesagt: „Mach langsam.“ Ein anderer habe von ihr gefordert, besser zu werden – trotz einer 1,7. Schwäche dürfe man nicht zeigen. Ein Attest halten manche für einen Vorwand, um zu trödeln, so Maria.

Die erste Diagnose für Depression hat sie mit 14 Jahren bekommen. In der Schule fühlte sie sich isoliert, wurde gemobbt. Also vergrub sie sich in Büchern. Schon morgens um 4 Uhr stand sie auf, um ihrer Leidenschaft nachzugehen.

An der Uni hat sie Freunde gefunden. Das tat gut, in den ersten Semestern ging es ihr besser. Doch vergangenes Jahr ging’s bergab: „Der Druck hat mich zurückgeworfen“, sagt sie. Im Oktober ging sie zum Arzt. Er bescheinigte ihr eine funktionale Depression und Angstzustände. Maria ist sicher: „Ohne die Uni hätte ich die Diagnose nicht bekommen.“

Das Leistungsproblem liegt für sie in der Gesellschaft. Es sei in Mode, zu sagen, man habe keine Zeit für Freunde. „Darüber wird 30 Minuten gemeinsam gejammert, dann arbeiten wir weiter“, erzählt sie. Alle wollen perfekt sein: viele Freunde, top gestylt, super Noten, feste Beziehung, auf jeder Party dabei. Ihre traurige Erkenntnis: „Ich gehöre dazu.“

Sie wünscht sich mehr Offenheit unter den vielen Betroffenen. Es helfe, mit anderen darüber zu sprechen. Oder einen Arzt aufzusuchen. Doch nicht jeder schaffe das. „Ich kenne super viele, die das nicht tun“, sagt Maria. Depression sei eben noch immer ein Tabu.

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