Kurt Cobain, Istanbul und letzte Tänze: Bosse auf dem ZMF 4Event | 30.07.2022 | Pascal Lienhard

Bosse auf dem ZMF

Verloren in der Musik – anders kann Axel Bosses ZMF-Auftritt kaum beschrieben werden. Der Musiker rennt und tanzt über die Bühne, als gäbe es kein Morgen. Die eine oder andere Anekdote zu seinen Songs hat der gebürtige Braunschweiger auch in den Breisgau gebracht.

Zweimal war das Konzert wegen der Pandemie verschoben worden, Fans mussten sich in Geduld üben. Das Zirkuszelt ist am lang ersehnten Tag nicht ausverkauft, etwa ein Viertel der Fläche bleibt frei. Die Vorband Karrera serviert dem noch redseligen Publikum poppigen Indie-Rock Made in Hamburg. Trotz einiger Soundprobleme, teilweise war die Lead-Gitarre nur zu erahnen, überzeugt das Quintett musikalisch. Zu größeren Emotionsausbrüchen kann es die Gäste jedoch nicht hinreißen. Der eine oder andere weiß wahrscheinlich schon, mit wie viel Energie der Hauptact auf die Bühne gehen wird – und spart sich die Kräfte auf.

Denn sobald Axel Bosse mit seiner siebenköpfigen Band auf die Bühne kommt, gibt es kein Halten mehr. Der Indie-Musiker ist auf der Bühne ein Getriebener. Er kickt mit dem Fuß durch die Luft, wirbelt wild mit den Armen herum, imitiert einen Vogel. Nur für wenige Sekunden bleibt er an einer Stelle stehen, bevor er zur nächsten weiterhuscht. Es wirkt fast so, als würde der charismatische Künstler den Text seines Hits von 2021 sehr ernst nehmen: „Also tanz, als wär’s der letzte Tanz“. Schon vor vielen Jahren habe er gelernt, sich nicht darum zu kümmern, was andere von ihm denken könnten, erzählt er in einer seiner kurzweiligen Ansagen.

Diese nutzt er auch, um die Entstehungsgeschichte der Songs mit seinen Fans zu teilen. „Istanbul“ etwa handelt von seiner Liebe zu der Metropole und der Zeit, in der er in der Türkei gelebt hat. Die Nummer wird deutlich abgespeckter als auf dem Album dargeboten und entwickelt sich so zu einem Hightlight des Abends. Und dann ist da noch der große Hit: „Schönste Zeit“. Der Song handelt von der Pubertät, dem Leben als Außenseiter, dem ersten Kuss, dem ersten Bier – und das anno 1994, dem „Jahr als Kurt Cobain starb“.

Einige Gäste im Zirkuszelt dürften 1994 noch gar nicht auf der Welt gewesen sein. Andere waren damals wahrscheinlich schon zu alt, um mit Kurt Cobain und Nirvana etwas anfangen zu können. Ein Blick ins Rund zeigt, dass Bosse die Generationen vereint. Manche seiner Songs mögen zwar der Grenze zum Kitsch gefährlich nahe kommen. Seinen Fans ist es egal: Auf dem Weg in die frische Luft, nach zwei Zugabenblöcken, dominieren zufriedene Gesichter. Und die Hoffnung, dass das nicht der letzte Tanz mit Axel Bosse war.

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Foto: © Pascal Lienhard