Mit Navi durchs Gefühlschaos: Ratgeber für ein harmonisches Familienleben Erziehung | 06.03.2022 | Tanja Senn

Erziehungsratgeber

Die ersten Schritte, die ersten Wörter und Sätze, das erste Mal, dass das Kind seinen Brei selbst löffelt: Die Kleinkindzeit ist eine Zeit voller faszinierender Meilensteine. Doch sie kann auch anstrengend sein, denn so langsam fangen die Kleinen an, ihren Willen – manchmal sehr lautstark – durchzusetzen. Erfahrene Experten verraten, wie man von der Erziehung zur Beziehung kommt, und weisen damit den Weg zu einem friedlichen Familienleben weit über das Kleinkindalter hinaus.

„Respekt, Vertrauen und Liebe“ – der Titel von Jesper Juuls wohl letztem Ratgeber bringt auf den Punkt, was für den dänischen Familientherapeuten in Familien wirklich zählt. Für das Buch hat Juuls Lektorin Texte des 2019 verstorbenen Experten zusammengetragen, die so etwas wie die Essenz seines Schaffens darstellen. In ihnen dreht Juul den Spieß geschickt um, denn seiner Meinung nach sind es nicht die Kinder, denen – wie so oft moniert wird – der Respekt fehlt. Stattdessen fehle es vielen Erwachsenen am nötigen Respekt und am Vertrauen gegenüber ihren Kindern. Und zwar ganz unbeabsichtigt, weil viele einfach das weitergeben, was sie selbst in ihrer Kindheit erlebt haben. Dabei ist Juul sich sicher: Erziehung – weder autoritär noch anti-autoritär – funktioniert nicht. Stattdessen braucht es eine ganz neue Art der Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Das ist ungewohnt und unbequem. Denn die Frage „Wie bringe ich mein Kind dazu, das und das zu tun?“ wird nicht beantwortet, sondern selbst in Frage gestellt. Die Beispiele, mit denen Juul seinen Ansatz verdeutlicht, reichen von der Kleinkindzeit bis ins Jugendalter, sodass man diesen Ratgeber immer wieder zur Hand nehmen kann.

Buchcover: Respekt, Vertrauen und Liebe

Respekt, Vertrauen und Liebe
Jesper Juul
Verlag: Beltz Verlag, 2020
203 Seiten
Preis: 18,95 Euro

 

 

 

Ein weiterer renommierter Familien-Experte, dessen Bücher aus der Ratgeber-Landschaft nicht wegzudenken sind, ist Jan-Uwe Rogge. Seine Neuerscheinung „So große Gefühle!“ hat er mit dem Benediktinerpater Anselm Grün verfasst. Der Ratgeber ist vor allem ein Plädoyer dafür, Gefühle von Kindern zuzulassen, sie nicht zu bagatellisieren oder zu überspielen. Wut, Trotz, Angst, Langweile – alles Gefühle, die zum Leben dazugehören. Kinder müssen lernen, mit ihnen umzugehen und brauchen Eltern, die sie dabei begleiten. Anselm Grün bringt mit ein, welche Bereicherung dabei Religion, Glaube und Spiritualität sein können. Wer das nicht möchte, für den ist Rogges Klassiker „Kinder dürfen aggressiv sein“ vielleicht besser geeignet, in dem die Grundgedanken bereits aufgegriffen werden.

Buchcover: So grosse Gefühle!

So große Gefühle!
Jan-Uwe Rogge und Anselm Grün
Verlag: GU, 2020
208 Seiten
Preis: 19,99 Euro

 

 

 

Den Gedanken, der bei Juul und Rogge schon anklingt, vertiefen andere Ratgeber noch einmal: Wer etwas an der Beziehung zu seinen Kindern ändern möchte, muss bei sich selbst anfangen. Denn warum treiben Eltern manche Verhaltensweisen ihrer Kinder zur Weißglut, während es kein Problem ist, auf andere ruhig zu reagieren? Die Psychotherapeutin Philippa Perry sieht die Ursache dafür oft in der eigenen Kindheit begründet. Lebendig wird der Ratgeber dadurch, dass neben dem großen Rahmen auch immer wieder die kleinen Themen des Alltags auftauchen: von Lügen über Handy-Sucht bis hin zum Monster unterm Bett. „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen …“ ist nicht nur wegen seines gelungenen Titels ein Weltbestseller, sondern weil es hilft, aus negativen Verhaltensmustern auszubrechen und sich mit all seinen Gefühlen zu versöhnen.

Buchcover: Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen ...

Das Buch, von dem du dir wünschst …
Philippa Perry
Verlag: Ullstein Verlag, 2020
304 Seiten
Preis: 19,99 Euro

 

 

 

Einen ähnlichen Ansatz vertritt auch die Freiburger Autorin Nina C. Grimm. Ihr Spiegel-Bestseller „Hätte, müsste, sollte“ ist für alle Eltern, die eigentlich zugewandt und achtsam mit ihren Kindern umgehen wollen, sich aber Tag für Tag dabei erwischen, wie sie trotzdem schreien, motzen und schimpfen. Grimm zeigt auf, wie man diese Brücke zwischen Theorie und Praxis überwindet. Neben den Erklärungen, was den Stress und die Überforderung auslöst und welche Eltern-Bedürfnisse dahinterstecken, finden sich hier zahlreiche praktische Übungen, die die Psychologin mit den Methoden der Achtsamkeit entwickelt hat. Besonders schön ist ihr positiver Blick auf alles: dass Konflikte Gelegenheiten zum Lernen sind, dass Eltern auch immer wieder an ihren Idealen „scheitern“ dürfen und nicht so hart mit sich ins Gericht gehen sollten.

Buchcover: Hätte, müsste, sollte

Hätte, müsste, sollte
Nina C. Grimm
Verlag: Kösel, 2021
272 Seiten
Preis: 18 Euro

 

 

 

Foto: © iStock.com/Ridofranz