Schulprobleme?: Kinder mit Lernbehinderung fördern Lernen & Fördern | 16.03.2023 | Dorothea Wenninger

Eine Lehrerin mit einigen Schülern beim Basteln

Wenn Kinder eine Lernbehinderung haben, wissen viele Eltern gar nicht, was los ist. Eine Verzögerung in der Entwicklung sieht man dem Kind nicht an. Der LERNEN FÖRDERN-Bundes-verband setzt sich für Menschen mit Lernbehinderungen ein – und das seit mehr als 50 Jahren.

Oft fragen sich Eltern: Ist da was anders bei meinem Kind? Ist das normal, dass es immer noch nicht spricht? Ein verzögerter Entwicklungsschritt alleine muss noch nichts heißen, aber spätestens in der Schule fällt auf, wenn eine Lernbehinderung vorliegt. Dann kommt das Kind trotz Anstrengung kaum mit und fühlt sich ständig überfordert. Das ist jeweils verschieden stark ausgeprägt und deshalb umso schwerer von einer Lernschwäche auf der einen und einer geistigen Behinderung auf der anderen Seite abzugrenzen.

Wer Zweifel hat, kann sich beim LERNEN FÖRDERN-Bundesverband melden. Gemeinsam mit den erfahrenen Beraterinnen findet sich eine Lösung, wie und wo sich am besten abklären lässt, was Sache ist. Auch im Fall, dass die Kinderärztin sagt: „Ihr Kind ist entwicklungsverzögert“, kann man sich an die Beratungsstelle wenden. Wahrscheinlich wird sie den Besuch einer Frühförderstelle empfehlen und auf jeden Fall mit nützlichen Adressen weiterhelfen.

Der Bundesverband LERNEN FÖRDERN wurde 1968 in Münster gegründet, „von Eltern, die für ihre Kinder mehr erreichen wollten, als die Schule ihnen bieten kann“, so die Vorsitzende Mechthild Ziegler. Seit dieser Zeit trugen die Mitglieder des Verbands viel Wissenswertes über Lernbehinderungen und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern zusammen. Und noch wichtiger: Sie fanden Lösungswege.

Beratungsgespräche für Hilfesuchende bietet der Verband entweder direkt in der Beratungsstelle in Remseck an – Sitz des Bundes- und des Landesverbands Baden-Württemberg – oder aber per Telefon oder Telefonkonferenz. Wer weiter weg wohnt und ein persönliches Gespräch bevorzugt, erhält einen Termin mit einer ehrenamtlich arbeitenden Person im Wohnort oder in der Nähe. Natürlich werden in der Beratung auch Fachleute hinzugezogen, falls dies erforderlich ist. Aber der Schwerpunkt liegt auf der Hilfe zur Selbsthilfe. Die Beraterinnen bringen die Ratsuchenden in Kontakt mit anderen, die das Problem aus eigener Anschauung kennen und sich beim Verband fortgebildet haben. So kommt ein großes Netz zustande aus erfahrenen Ehrenamtlichen. Der Austausch mit anderen Eltern ist sehr hilfreich. Man fühlt sich nicht mehr alleine in der schwierigen Situation und erhält durch den Austausch die verschiedensten Ideen, damit umzugehen.

Im Rahmen von Arbeitstagungen und Seminaren übermittelt der Verband Fachwissen zu den Themen Lernbeeinträchtigung und Kinder mit Entwicklungsverzögerungen. Außerdem organisiert er Freizeiten und Familienseminare für Kinder mit Lernbehinderung und ihre Familien. Das zwanglose Zusammensein mit anderen Betroffenen stärkt das Selbstbewusstsein und vermittelt den Kindern ein Stück Normalität.

Im Interview: Mechthild Ziegler

Mechthild Ziegler

Auf dem Familienwochenende im Oktober 2022 in Schramberg engagierte sich auch Mechthild Ziegler, Vorsitzende des Bundesverbands LERNEN FÖRDERN.

Wie steht es um den Begriff lernbehindert?
„Heute spricht man von Kindern mit Lernbehinderungen, nicht von lernbehinderten Kindern. Man sagt auch nicht zu seinem Kind: Du bist lernbehindert, sondern man sagt, du hast da und da Unterstützungsbedarf.“

Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgabe als Vorsitzende des Bundesverbands LERNEN FÖRDERN?
Wir möchten Kindern, die Schwierigkeiten beim Lernen haben, dabei helfen, gut durchs Leben zu kommen. In erster Linie möchten wir das durch Selbsthilfe erreichen: den Austausch zwischen betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ermöglichen, sie begleiten, Infos geben, nach Bedarf Fortbildungen organisieren. Unser zweites wichtiges Aktionsfeld ist die Interessensvertretung. Im Landesverband zum Beispiel geht es grad viel um so aktuelle Themen wie Ressourcen und Lehrermangel.

Wie sind Sie selbst zum Verband gekommen?
Bei einer unserer Töchter traten nach und nach Probleme auf, die wir nicht richtig deuten konnten. Auf dem Spielplatz gab es immer wieder Situationen, wo andere irritiert reagiert haben. Ich habe sie dann einfach ein Jahr jünger gemacht; das funktionierte nur manchmal. Als die Tochter in der Schule war, fragte ich mich dann schon öfter, wieso kann sie jetzt das Wort immer noch nicht richtig sagen oder wieso hat sie solche Probleme beim Rechnen? Wir wollten nicht – wie alle Eltern –, dass unsere Tochter in die Förderschule kommt. Als sie schlussendlich doch dort gelandet ist, lebte sie regelrecht auf. Wir hatten plötzlich unser fröhliches Kind zurück. Wir haben uns sehr gewundert und da erst begriffen, wie sehr sie in der Grundschule gelitten hat. Über die Schule bin ich dann zum Verband LERNEN FÖRDERN gestoßen und habe mich dort engagiert.

Öffentliche Aufklärung ist auch eins Ihrer Anliegen. Wie funktioniert das konkret?
Die beste Aufklärung findet im direkten Umgang statt. Indem ich mit den Nachbarn offen darüber rede und erkläre, was los ist. Dann wird das Kind nicht mehr komisch angeschaut. Oder in einer entsprechenden Situation, zum Beispiel an der Kasse, ganz normal damit umgehen und dem Kind laut und deutlich erklären: „9 Euro 50 kostet es, komm, ich helfe dir beim Zählen.“ Dann erleben die Umstehenden die Situation wirklich mit und können lernen, was man machen könnte, um zu helfen – anstatt peinlich berührt zu sein.

Was war Ihr größter Erfolg bei dieser Arbeit?
Ich freue mich über jeden jungen Menschen, der eine Arbeitsstelle gefunden hat. Ich freue mich über jeden Anruf, in dem die Eltern mir sagen: ,Mein Kind geht jetzt wieder gern zur Schule.‘ Wenn man die Probleme gehört hat, die es gab – und dann sieht man die Jugendlichen wieder strahlen: Das gehört zu den vielen kleinen Highlights, die ich in meiner Tätigkeit erlebe.

Tel.: 07141 9747870 // E-Mail: post@lernen-foerdern.de
www.lernen-foerdern.de

Fotos: © Hans-Peter Ziegler