„Konzept der Zukunft“ – Uniklinikum Freiburg plant Hebammenkreißsaal Schwangerschaft | 08.06.2024 | Till Neumann

Schwangere Frau bekommt im Krankenhauszimmer mit einem Massage-Ball den Rücken massiert Mit natürlichen Mitteln zur Geburt: Das soll der Hebammenkreißsaal der Uniklinik Freiburg ab Januar ermöglichen.

Eine natürliche Geburt mit einer Hebamme, die nur für eine Frau zuständig ist. Aber im sicheren Umfeld einer Klinik. Das möchte das Universitätsklinikum Freiburg ab Januar anbieten. Für Hebamme Carolina Fink, die das Projekt co-koordiniert, ist das ein zukunftsweisender Schritt mit Vorteilen für alle Beteiligten. Er könnte auch dem Image der Uniklinik-Geburtshilfe helfen.

„Wird uns Hebammen guttun“

„Wir wollen auf mehreren Ebenen Menschen was Gutes tun“, sagt Carolina Fink. Sie ist Hebamme an der Uniklinik Freiburg und Teil des Teams, das die Idee bis Januar umsetzt. Die 31-Jährige ist begeistert: „Ich glaube, das wird den werdenden Müttern guttun. Und es wird uns Hebammen guttun.“ Mit dem hebammengeleiteten Kreißsaal könnten sie sich mehr als bisher ihrer grundständigen Hebammenarbeit widmen und diese „richtig schön ausführen“. Und mit dem ärztlichen Personal auf einer anderen Ebene im Team arbeiten.

Im Unterschied zu bisher wird im Hebammenkreißsaal (HKS) nur eine Hebamme für eine Frau zuständig sein. Ärzte kommen nur im Notfall dazu. „Wir garantieren eine Eins-zu-Eins-Betreuung“, betont Fink. Das sei zwar personalaufwendig, habe aber klare Vorteile: „Es gibt viele Studien darüber, dass weniger Schmerzmittel gebraucht werden, wenn eine gute Betreuung stattfindet.“ Auch mehr vaginale Geburten seien so möglich. Bisher sind Hebammen teilweise für mehrere Paare gleichzeitig zuständig.

Atmosphäre soll wohnlicher werden

Die Betreuung soll schon lange vor der eigentlichen Geburt beginnen. „Es wird in der Schwangerschaft mindestens zwei, wahrscheinlich sogar drei Gespräche geben mit diesen Frauen“, berichtet Fink. Das erste etwa ab der 30. Woche. Das frühe Kennenlernen soll zu einer persönlicheren Atmosphäre beitragen – und den Frauen Sicherheit geben. Bei den Gesprächen wird zudem geklärt, ob die Geburt mit Risiken oder Komplikationen verbunden ist. Denn dann sei eine Geburt im HKS ausgeschlossen. Wichtig ist für Fink, Bedürfnisse und Wünsche der Mutter kennenzulernen: „Was wünsche ich mir von der Geburt? Was kann ich mir dabei vorstellen? Was will ich gar nicht?“

Einen neuen Kreißsaal wird es für das Projekt nicht geben. Geplant ist aber, einen ausgewählten umzugestalten. Die Atmosphäre soll so etwa wohnlicher werden, so Fink.

„Falsches Bild von der Uniklinik“

Sie ist seit 2016 als Hebamme tätig. Und seitdem am Uniklinikum beschäftigt. Fink erhofft sich so auch, für Hebammen einen interessanteren Arbeitsplatz zu schaffen. „Wir sind ja dafür ausgebildet, die normale Geburt zu betreuen – das können wir alleine. In der Realität sind wir aber eben immer im Team gemeinsam.“ Nicht alle Hebammen würden daher gerne dort arbeiten. „Vielleicht können sie sich dann doch vorstellen, in eine Uniklinik zu gehen“, sagt Fink.

Zumal das Vorhaben der gesamten Klinik für Frauenheilkunde zugutekommen würde: „Da es immer noch einige Frauen gibt, die ein falsches Bild von einer Geburt an einer Uniklinik haben“, sagt Fink. So denken sie beispielsweise, dort würden mehr Kaiserschnitte gemacht. Das liege aber daran, dass viele kranke Frauen oder schwierige Fälle dort gebären – und sei daher auch gut so. Umso mehr freut es sie, dass „wir nun ein Angebot machen und die natürliche Geburtshilfe ganz explizit unterstützen“. Bei werdenden Eltern sei eine natürliche Geburt gefragt – aber oft mit dem Wunsch nach einer möglichen ärztlichen Betreuung, wenn etwas nicht ­klappe. „Das ist genau die Kombi, die wir nun bieten können“, betont Fink.

„Konzept der Zukunft“

Start des HKS wird im Januar sein. Fink blickt mit Vorfreude darauf: „Ich freue mich sehr darauf, bei der Geburt Zeit zu haben. Und darauf, die Frauen schon in der Schwangerschaft explizit kennenzulernen.“ Das ginge sonst ab und zu unter. Fink findet den Schritt richtungsweisend: „Für mich ist das das Konzept der Zukunft.“

Hebammengeleiteter Kreißsaal

Hebamme Carolina Fink

Hebamme Carolina Fink

Das Uniklinikum Freiburg möchte im Januar einen Hebammenkreißsaal (HKS) eröffnen. Dort wird je eine Hebamme für eine Frau zuständig sein. Das soll mehr natürliche Geburten ohne den Einsatz von Schmerzmitteln ermöglichen. Bislang gibt es in Deutschland mindestens 40 HKS. Auch in Offenburg wird ein solcher Kreißsaal geplant. In Ländern wie Großbritannien ist das Konzept etabliert. Das Freiburger Vorhaben wird vom Landes-Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration gefördert. Auch der Deutsche Hebammenverband unterstützt das: „Ein HKS hebt die Qualität der gesamten Geburtshilfe.“ Mehr Infos und eine HKS-Landkarte gibt es auf hebammenverband.de/hebammenkreisssaal. In der Uniklinik arbeiten rund 60 Hebammen. 2023 kamen bei 1912 Geburten 2010 Kinder zur Welt.

Fotos: © Britt Schilling, Sung-Hee Seewald

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