Buch-Rezi: Am Rand – Falsche Bilder im Kopf 4Literatur & Kolumnen | 10.11.2023 | Erika Weisser
„Wir alle haben starke Bilder von anderen im Kopf. Etwa von Prostituierten und Obdachlosen. An diesen Bildern zu kratzen, treibt mich um.“ So beschreibt der Fotojournalist Klaus Petrus sein Interesse an den Getriebenen, Eigensinnigen, Abgehängten und anderen von der Selbst-Optimierungsgesellschaft unsichtbar Gemachten. Einige hat er nun sichtbar gemacht – in Porträts und Reportagen, erschienen im Basler Christoph-Merian-Verlag.
Das mit dem Wort „Schweiz“ in den Köpfen erzeugte Bild von Reichtum, Sicherheit und Toleranz gelte längst nicht für alle. Die „Gescheiterten“ blieben außen vor, von ihren Geschichten wollen die Menschen, die sich zur wohl(an)ständigen Mehrheitsgesellschaft zählen, nichts wissen. Berührungspunkte gebe es nicht – oder eher: sie würden von den Bessergestellten geleugnet.
Deshalb schaut Petrus genau hin, sucht nach den Menschen hinter der Fassade. Und findet sie. Ohne Wertung porträtiert er nicht nur Prostituierte, sondern auch Familienväter, die deren Arbeit regelmäßig in Anspruch nehmen. Er begleitet eine einst wohlhabende Frau in Altersarmut – und eine, die aus Angst davor die Gewalt ihres Ehemanns erträgt. Ein einfühlsamer Augenöffner.
Am Rand
von Klaus Petrus
Verlag: Christoph Merian, 2023
192 Seiten, gebunden
Preis: 29 €