Buch-Rezi: Leichte Sprache – Kein Inklusionsmärchen 4Literatur & Kolumnen | 01.09.2022 | Erika Weisser

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Vier Frauen, Nati, Marga, Àngels und Patri, leben in einer Wohngemeinschaft in Barcelona. In einer betreuten Wohnung: Von Amts wegen wurde ihnen, die allesamt aus bildungsfernen Provinzdörfern stammen, eine geistige Behinderung bescheinigt – aufgrund nicht näher definierter Lernschwierigkeiten.

Marga ist Analphabetin und sexuell sehr aktiv, Àngels stottert und sagt kaum ein Wort, Patri wiederum hat Logorrhö und kann sich beim Sprechen gar nicht bremsen. Und Nati bezeichnet ihre Besonderheit selbst als „Schiebetüren-Syndrom“: Wenn sie unter Druck steht, wird sie laut und beleidigend, als schlössen sich vor ihrem Gesicht Schiebetüren.

Sie selbst finden sich eigentlich ganz in Ordnung, nehmen an integrativen Tanzgruppen teil und haben Kontakt zur Hausbesetzerszene. Und versuchen, sich aus der Bevormundung durch die staatliche „Fürsorgeindustrie“ zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Cristina Morales schreibt ihren gesellschaftsdemaskierenden Roman strikt aus der Sicht der Protagonistinnen; er ist kein Inklusionsmärchen, sondern eher Forderungskatalog. Für diesen „Befreiungsschlag“ erhielt sie zusammen mit der Übersetzerin Friederike von Criegern den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt.

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Leichte Sprache
von Cristina Morales
Übersetzung: Friederike von Criegern
Verlag:Matthes & Seitz 2022
409 Seiten, gebunden
Preis: 25 Euro