Buch-Rezi: Zukunftsmusik – Klänge einer Zeitenwende 4Literatur & Kolumnen | 08.05.2022 | Erika Weisser

Buchcover: Zukunftsmusik

Es ist der Morgen des 11. März 1985. Während der Nachtschicht in einer „tausende Werst oder Meilen oder Kilometer östlich von Moskau“ gelegenen Glühbirnenfabrik scheppert Chopins Trauermarsch aus einem Transistorradio. „Ihr wisst, was das bedeutet“, warnt der Vorarbeiter die Belegschaft, zu der auch Janka gehört.

Sie bewohnt zusammen mit ihrer kleinen Tochter Kroschka, ihrer Mutter Maria Nikolajewna und der Großmutter Warwara Michailowna ein Zimmer in einer ‚Kommunalka‘. Sechs Mietparteien leben in diesem großzügigen, längst zur Gemeinschaftswohnung umfunktionierten ehemaligen Bourgeoisie-Domizil mit Bad, Klo und Küche. Diese teilen sich vier Familien und zwei Einzelzimmerbewohner.

Einer von ihnen ist Matwej Alexandrowitsch. Und er deutet die Musik aus seinem privaten Radio auch gleich richtig: „Da ist in Moskau wieder einer gestorben“, sagt er zu Maria Nikolajewna. Der dritte innerhalb von 28 Monaten – nach Breschnew und Andropow nun auch Tschernenko.

Was die Bewohner der Kommunalka an diesem einzigen Tag des Romans nicht ahnen können: Die Ernennung von Michail Gorbatschow zum KPdSU-Generalsekretär leitet eine Zeitenwende ein. Der Trauermarsch wird zur Zukunftsmusik. Freilich eine trügerische – und nur für eine kurze Zeitspanne.

Buchcover: ZukunftsmusikZukunftsmusik
von Katerina Poladjan
Verlag: S. Fischer, 2022
192 Seiten, gebunden
Preis: 22 Euro