Buchrezi: Russische Spezialitäten – Liebe in Zeiten des Krieges 4Literatur & Kolumnen | 03.04.2025 | Erika Weisser

Russische Spezialitäten

Der Roman beginnt mit einem geradezu biblischen Bild: In einer Wetterwarnung an das russische Fernsehvolk wird ein sibirischer Ort gezeigt, dessen zum Durchhalten aufgeforderte Bewohner sich zwischen hoch aufgetürmten Wänden eines „geteilten russischen Schneemeers“ bewegen. Doch sie fliehen nicht etwa vor dem volksfeindlichen Eisregen, sondern gehen „seelenruhig ihrer schneegepeitschten Frühlingswege“.

Die „russisch fernsehvölkische“ Mutter des Erzählers, die mit ihrer Familie vor Jahrzehnten aus Kyjiw nach Leipzig kam, nimmt die Warnung dennoch für bare Münze. Wie alles, was über RT über ihren Bildschirm flimmert. So faselt sie, die seit ihrer Geburt nicht mehr in Russland lebte, von einer Spezial­operation gegen das ukrainische Naziregime. Dabei übersieht sie, dass die „von Putin beliebäugelten deutschen Faschisten immer mehr Wahlen gewinnen“. Und dass der Krieg auch ihrem eigenen russischen Spezialitäten-Laden ein Ende setzt, weil die Kunden wegbleiben.

Der Sohn, der seine Mutter ebenso liebt wie die russische Sprache und Kyjiw, reist verzweifelt dorthin. Um der Poetik der Verständigung willen, mit der er sie von den Fernsehlügen wegbringen will. Seine Reise ist schwer – doch nicht vergeblich. Und das Buch einfach genial.

Russische SpezialitätenRussische Spezialitäten
von Dmitrij Kapitelman
Verlag: Hanser Berlin, 2025
192 Seiten, Hardcover
Preis: 23 Euro