Das »bierernste« chilli-Horoskop: Atomkraft-Edition von Hobby-Astronaut Philip Thomas 4Literatur & Kolumnen | 21.08.2022

Horoskop

Vor lauter Atom-Diskussion sieht chilli-Orakel Philip Thomas schon Sterne. Nach mehr oder weniger fokussiertem Studium der Himmelskörper verrät er, wie es um unsere Zukunft so steht.

Widder-1

Putin dreht den Gashahn zu und Deutschland diskutiert über Atomkraft: 41 Prozent der Deutschen befürworten aktuell den Bau neuer Meiler. Übrigens glauben demnach auch fast 17 Prozent der Deutschen an Geister. Und mehr als die Hälfte der Menschen in diesem illustren Land (58 Prozent) halten Karneval, Verzeihung „Fasnet“, für Kulturgut.

Stier-1

„Atomkraft, ja bitte“, mag angesichts explodierender Strompreise so mancher denken. „Besser die Preise als die Atommeiler“, sagen die anderen. Du vermutest eine scheinheilige Scheindebatte: Zwei Drittel der gesamten Energie, die in deutschen Haushalten verbraucht wird, ist Heizenergie. Da ist es auch egal, dass du dir noch einen Heizstrahler zugelegt hast.

Zwilling-1

Noch drei Atomkraftwerke hängen (höchstwahrscheinlich) bis zum Jahresende in Deutschland am Netz: Emsland in Niedersachsen, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern. Würdest du und all deine Mitbürger·innen alle deine Stand-by-Geräte ausstöpseln, könnte eines davon schon morgen offline gehen.

Krebs-2

Deutschland steigt aus der Atomkraft aus. Bloß: Woanders werden gerade neue Meiler entworfen: In China 32, Russland 25, Indien zwölf, Ägypten vier, USA und Ungarn je drei, UK und Rumänien jeweils zwei, Finnland, Türkei, Bulgarien, Argentinien, Iran, Japan, Tschechien und Pakistan jeweils eins. Kein Drama: Bekanntermaßen stoppen Katastrophen an Ländergrenzen.

Loewe-1

Funfact für deine nächste Party: Ein dieselbetriebener Flugzeugträger verbrennt auf 18.500 See-Kilometern rund 3.800.000 Liter Treibstoff. Einmal volltanken: drei Millionen Euro. Nuklearbetriebene Träger verbrauchen auf gleicher Distanz ungefähr acht Kilogramm Uran. „Getankt“ werden müssen diese bloß alle 20 Jahre. Kosten: 2,5 Milliarden Euro.

Über diesen Fakt lacht hierzulande niemand: Deutschland hat die höchsten Strompreise der Welt. Kann Atomkraft helfen, die Kosten im Haushalt zu drücken? Möglicherweise. Und im Falle des größten anzunehmenden Unfalls (GAU) wird sogar doppelt gespart. Wer im Dunkeln leuchtet, braucht keine Glühbirnen mehr. Und den restlichen Haushalt auch nicht.

Waage-1

Macht der Klimawandel unseren Nachbarn einen Strich durch die Kernkraft? Weil Flüsse ausgetrocknet sind und Kühlwasser fehlt, sind derzeit mehr als die Hälfte aller französischen Reaktoren außer Betrieb: Von 56 Meilern wurden zwölf abgeschaltet, 18 werden gewartet. Du schlussfolgerst: In Frankreich geht die Atomkraft also nicht den Bach runter.

Atomkraftwerke sind sicher. Also vergleichsweise. Wenn sie nicht gerade eine Kernschmelze hinlegen. Etwa durch technische Mängel oder menschliches Versagen wie in Tschernobyl. Oder durch sich häufende Umweltkatastrophen wie in Fukushima. Oder womöglich durch Beschuss mit Kriegswaffen wie aktuell im ukrainischen Saporischschja?

Schuetze-1

Das Nuklid Cäsium-137, das beim GAU in Tschernobyl freigesetzt wurde, ist heute noch in Baden-Württemberg nachweisbar. Die Gegend um das AKW in der Ukraine wird trotz Schutzmantel noch mehrere tausend Jahre unbewohnbar bleiben. Aber du findest, dass Windräder den Schwarzwald verschandeln?

Steinbock-1

War es ein Schnellschuss, in Deutschland aus der Atomkraft auszusteigen, weil in Japan vier Reaktorblöcke wegen Tsunami nicht ausreichend gekühlt werden konnten? Wäre es nicht besser gewesen, vorher die Kohle zu canceln? Du bist dir also unsicher? Dann bastele dir doch folgenden Sticker fürs Auto: „Atomkraft, Jein, Schwanke“..

Wassermann-1

Bei dieser verflixten Atomkraft stellt sich hintenrum immer die Frage: Wohin mit dem Abfall? Biotonne geht nicht. Beim Nachbarn über den Zaun ist auch eher schwierig. Aber irgendwo muss das Zeug ja gelagert werden. Wenn du dir allerdings überlegst, wie beispielsweise in Berlin Munition gelagert wird, sollten wir das Thema Endlager vielleicht lieber lassen.

Die Europäische Union sorgt nicht nur dafür, dass importierte Bananen mindestens 14 Zentimeter lang und 27 Millimeter dick sind. Brüssel hat –
übrigens neben Erdgas – auch Atomkraft als „nachhaltig“ klassifiziert. Um den Klimawandel musst du dir damit keine Sorgen mehr machen. Du fragst dich allerdings, wann die EU Fukushima und Tschernobyl zu Kurorten erklärt.

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