Die Kinder von Beauvallon: Die Macht des Schweigens 4Literatur & Kolumnen | 04.08.2023 | Erika Weisser

Agnes war acht, als sie Lily zum letzten Mal sah: An einem Oktobermorgen im Jahr 1940 wurde sie Augenzeugin der Deportation der jüdischen Familien Sulzburgs in das Internierungslager Gurs. Auf dem Marktplatz steckte Lily ihr ein halbes Foto zu, das ihr Gesicht zeigt. Die andere Hälfte mit Agnes’ Konterfei nahm sie mit auf ihre Reise mit unbekanntem Ausgang.
Lange hält sich Agnes an das Versprechen, nach der Kindheitsfreundin zu suchen. Doch als sie von den Lagern und der Ermordung von Lilys Eltern erfährt, begräbt sie alle Hoffnung auf ein Wiedersehen.
1965 – sie wohnt inzwischen in Freiburg, arbeitet als Lokalnachrichtenmoderatorin beim Südwestfunk-Landesstudio in Günterstal und spricht fließend französisch – flammt diese Hoffnung jedoch wieder auf: Ihr Redaktionsleiter beauftragt sie, eine verschwiegene Geschichte im südfranzösischen Département Drôme zu recherchieren. In einem Ort namens Dieulefit, wo knapp 2000 Einwohner während der deutschen Besatzung etwa 1500 Flüchtlinge versteckt hätten, darunter viele aus Gurs gerettete Kinder.
Agnes wird fündig, ihre Reportage wird vom Sender aber abgelehnt – zu früh für solche Themen, heißt es. Dabei ist dies von Bettina Storks bestens aufgearbeitete Thema damals wie heute von Relevanz.
Die Kinder von Beauvallon
von Bettina Storks
Verlag: Diana 2023
464 Seiten, Klappenbroschur
Preis: 16 Euro