Die Krume Brot: Glück und Katastrophe 4Literatur & Kolumnen | 02.08.2023 | Erika Weisser

Buchcover: Die krume Brot

Schon der erste Satz lässt ahnen, dass es wohl kein Entrinnen gibt: „Niemand weiß, wo Adelinas Unglück seinen Anfang nahm, aber vielleicht begann es lange vor ihrer Geburt.“ Von einem Ende ist nicht die Rede.

Dennoch hofft man bis zuletzt mit der jungen, tapferen, dem Leben aber abhanden gekommenen Frau. Man wünscht, dass es ihr gelingen möge, sich aus der von Großvater und Vater ererbten Misere zu kämpfen. Beide Männer versagten als Väter, fanden ihren Weg nicht; als italienische Arbeitsimmigranten in der Schweiz hinterließen sie Adelina außer der falschen Abstammung auch einen Berg Schulden.

Ein dritter, ebenso verantwortungsversagender Mann kommt dazu. Mit ihm erlebt die gerade volljährige Fabrikarbeiterin höchstes Liebesglück und tiefe Katastrophe: Nach der Geburt der Tochter lässt er Adelina allein zurück. Ganz allein: Auch ihre Mutter lebt längst wieder in Italien.

Wie schwer es Alleinerziehende in den 1970er-Jahren nicht nur in der Schweiz hatten, hat Lukas Bärfuss in jener Zeit selbst erfahren – als Kind. Mit allen späteren Konsequenzen. Deshalb kommt er seiner Figur sehr nahe, begleitet sie mit Empathie und Unerbittlichkeit. Und macht wütend auf die Verhältnisse, die Menschen in Armut so gut wie keine Chance bieten.

Buchcover: Die krume Brot

Die Krume Brot
von Lukas Bärfuss
Verlag: Rowohlt 2023
224 Seiten, gebunden
Preis: 22 Euro