Feuerrede vom Rektor: Heiko Wegmann über die Bücherverbrennungen in Freiburg 4Literatur & Kolumnen | 12.05.2023 | Erika Weisser

Heiko Wegmann

Am Abend des 10. Mai 1933 brannten auf den öffentlichen Plätzen vieler deutscher Städte Scheiterhaufen: In einer von oberster Propagandastelle konzertierten Aktion „wider den undeutschen Geist“ verbrannten Studenten und andere Angestachelte in theatralischen Inszenierungen Bücher, Zeitungen und andere Schriften, die die neuen Machthaber als schädlich erachteten.

Zuvor hatten sie Büchereien und Buchhandlungen gestürmt, um sie „von Schmutz und Schund zu säubern“. Dabei hatten sie sämtliche Literatur beschlagnahmt, die dem Weltbild des gerade drei Monate vorher errichteten NS-Regimes nicht entsprach. Auch in Freiburg gab es solche Beschlagnahmungen – aber an diesem Abend wohl kein Feuer.

Zumindest kein größeres, wie der Freiburger Historiker Heiko Wegmann in seiner soeben erschienenen, gründlich recherchierten Forschungsarbeit „Dunkle Wolken über Freiburg – Nationalsozialistische Bücherverbrennungen, ‚Säuberungen‘ und Enteignungen“ schreibt. Zwar sei am 8. Mai in den Lokalzeitungen eine Verbrennung angekündigt worden – auf dem Platz vor der damaligen Universitätsbibliothek. Aufgerufen hatten die Ortsgruppen der Deutschen Studentenschaft und des Kampfbunds für deutsche Kultur, die damit „den geistigen Kampf gegen die marxistisch-jüdische Zersetzung des deutschen Volkes bis zur Vernichtung“ propagierten und die Bevölkerung aufforderten, ihren Beitrag zu dieser „deutschen Sitte“ zu leisten.

Doch Berichte über den Vollzug der geplanten Aktion fand Wegmann an keiner Stelle. Und die darauf beruhende Annahme, dass zumindest nichts erwähnenswert Spektakuläres geschehen sei, habe „zu einer Legende geführt“, die sich „bis heute hält“: nämlich, dass es im Unterschied zu anderen Universitätsstädten in Freiburg zu keiner Zeit verbrannte Bücher gegeben habe.

Die Begründungen reichten vom Regenwetter über die angebliche Schwäche der NSDAP und ihrer Anhängsel bis zu der „steilen These“, dass der seinerzeitige Uni-Rektor Martin Heidegger die Verbrennung verboten habe. Das hatte der Philosoph, der am 1. Mai 1933 Parteimitglied wurde, 1966 in einem Interview mit dem „Spiegel“ behauptet. Allerdings konnte er dafür keine Beweise vorlegen.

Wegmann hat nun herausgefunden, dass es sehr wohl Buchverbrennungen gab und dass die beteiligten Akteure, darunter die Städtische Kommission gegen Schmutz und Schund sowie die Hitlerjugend, bei der Verfolgung ihrer Ziele „einen starken Willen und ungeheure Hartnäckigkeit zeigten“ und verfemte Schriften sogar mehrmals öffentlichkeitswirksam ins Feuer warfen. Nachweisen kann er mindestens zwei lange übersehene Bücher-Feuer: am 17. Juni auf dem nicht weit vom jüdischen Friedhof entfernten, auf dem heutigen Messegelände gelegenen damaligen Exerzierplatz – in Anwesenheit von OB Franz Kerber. Eine weitere Verbrennung gab es beim Sonnwendfeuer am 24. Juni im Universitätsstadion an der Dreisam, wo Heidegger eine pathetische Rede auf die Flamme hielt, die „uns den Weg weise, von dem es kein Zurück mehr gibt“.

Cover: Dunkle Wolken über Freiburg:

Dunkle Wolken über Freiburg

von Heiko Wegmann
Nationalsozialistische Bücherverbrennungen, „Säuberungen“ und Enteignungen
Verlag: Regionalkultur, 2023
200 Seiten, broschiert
Preis: 12,90 Euro

 

Foto: © Ingo Schneider