Nachgewürzt! – Vor-sicht 4Literatur & Kolumnen | 25.12.2024 | Volkmar Staub

Volkmar Staub

Gebannt starren wir auf Amerika wie das Kaninchen auf die Plapperschlange. Was macht er? Zieht er am ersten Tag seiner erneuten Regentschaft eine riesige Mauer zu Mexiko hoch? Verhängt er so hohe Zölle, dass die Amis uns als Exportnation keine CO2-Schleudern mehr abkaufen? Besetzt er alle Regierungsposten mit Verschwörungstheoretikern und Krypto-Faschos und verwandelt die USA in eine Diktatur?

Redet er in den ersten 24 Stunden mit Putin und erzwingt für die Ukraine einen Diktatfrieden und erhält dafür womöglich noch den Friedensnobelpreis? Zieht er sich aus der NATO zurück und zwingt Europa damit, mehr für seine eigene Sicherheit zu machen? Kann man das auch positiv umdeuten und glücklich darüber sein, dass wir uns endlich mal intensiv um unser Europa kümmern müssen?

Neulich hatte ich den schönen Traum, dass unsere neue EU-Kommission und das EU-Parlament an einem Strang ziehen und uns runderneuern: Wir gründen die Vereinigten Staaten von Europa und strukturieren sie nachhaltig demokratisch. Wir schaffen unsere Nationen ab, delegieren unsere Rechte an Brüssel, ersetzen unsere Pässe durch EU-Personalausweise, schaffen ein europäisches Heer, koordinieren uns ökonomisch, um als kontinentale Wirtschaftsmacht auf dem Weltmarkt zu bestehen.

Wir achten auf Umweltstandards, eine gemeinsame Außenpolitik, und ansonsten leben wir glücklich und zufrieden in unseren regionalen Identitäten. Das wäre ein Europa ohne das Grundübel der Nationalismen. Die auf dem Peleponnes frönen dennoch weiter ihren Kalamata-Oliven, die Katalanen genießen ihre Crème und wir unser Schäufele in einem gemeinsamen und friedlichen Europa. Mit diesem Traum könnten wir uns jetzt eigentlich fröhliche Weihnachten wünschen.

Aber dann bin ich aufgewacht und guck in die Fressen von all den europäischen Mini-Trumps, von Orbán über Gerd Wilders bis zu den weiblichen Möchtegern-Trumpinen Le Pen und Meloni. Offensichtlich sind wir Europäer zu blöd – wenigstens das Drittel, das solche Vollpfosten und -pföstinnen wählt. Mein Traum wird utopisch bleiben, aber nicht alle Utopien sind Wolkenkuckucksheim. Wir müssen etwas dafür tun. Man wird sich in dieser Geschenke-Zeit doch wohl noch was wünschen dürfen.

Herzlich Volkmar Staub

Foto: © privat