Die Letzten ihrer Art: Künstler und Veranstalter wünschen sich mehr Open Stages 4Musik | 10.02.2023 | Pascal Lienhard & Till Neumann

Markus Schillberg auf der Open Stage im Eimer Seit Anfang an dabei: Host und Moderator Markus Schillberg auf der Open Stage im Eimer.

Der Geruch von Rauch und Bier liegt in der Luft. Auf der kleinen Bühne in der Ecke des dunklen Raums spielen drei Musiker. An mehreren im Saal verteilten Tischen hören manche interessiert zu, andere lassen sich nicht in ihren Gesprächen stören. Nach einigen Minuten tritt der Sänger mit einer Ansage ans Mikro. „Wer ist der nächste“, will er wissen. „Du, oder?“, sagt er und zeigt auf einen Besucher. „Gut, okay“, erwidert der, wenig später steht er mit Gitarre auf der Bühne.

Eine Szene, die sich so ähnlich jede Woche im „Eimer“ in der Freiburger Innenstadt abspielt. Seit fast dreizehn Jahren steigt hier eine Open Stage, zu Beginn vierzehntägig, bald dann wöchentlich. Schon immer mit dabei ist Host und Moderator Markus Schillberg. Er eröffnet die Abende mit einem kurzen Set, gibt bei Bedarf den Lückenfüller. „Zu uns können alle kommen, auch Anfänger“, erklärt der 36-Jährige.

Als die Open Stage in der Metal- und Rockkneipe startete, war sie eine unter vielen. Heute ist das anders. „Es gibt in Freiburg keine Bühne mehr, die so offen ist wie diese“, sagt Schillberg. Als Verlust sieht er das Aus des „White Rabbit“ am Leopoldring. Über Jahre war die dortige wöchentliche Open Stage zur festen Instanz geworden.

Das „White Rabbit“ hat eine Leerstelle hinerlassen

Im Gegensatz zum kleinen Raum im „Eimer“ konnten Bands dort bis zur Schließung 2019 ordentlich Krach machen. Zwar gibt es in Freiburg Formate, die dem im „Eimer“ oder „White Rabbit“ ähneln. Im „KuCa“ an der Freiburger PH steigen die Open Stages aber nur gelegentlich. Die „Jazzsessions“ im Ruefetto sind musikalisch festgelegt. Bei der „New Constellation Kitchen“ der Freiburger Blues Association stehen monatlich festgelegte Stücke im Mittelpunkt. Die „MyStage“ von Jugendbildungswerk und Jazz- & Rockschulen zielt auf angemeldete Bands mit Musiker·innen zwischen 16 und 25 Jahren.

Auch Cristian „Kata“ Carrasco findet, dass es zu wenige offene Bühnen in Freiburg gibt. Der Sänger und Trompeter der Freiburger Gruppe El Flecha Negra organisierte von Juni bis August eine Open Stage im „Mamita“. „Am Anfang kamen 15 Leute, am Ende 50“, erzählt der 38-Jährige. Nach dem Auftakt musste er wegen eigener Konzerte pausieren. Bei einer Session im Winter kamen dann wenig Besucher·innen, inzwischen fehle ihm die Zeit für weitere Events.

Einer, der seine ersten Freiburger Konzerte auf Open Stages gespielt hat, ist Sebastian Hesselmann. Der Musiker, der mittlerweile unter seinem Nachnamen mit Band Konzerte spielt, hält viel von dem Konzept. „Open Stages sind eine super Möglichkeit, relativ einfach und unkompliziert aufzutreten“, sagt der 30-Jährige. Gerade zu Beginn einer Karriere sei ein solches Angebot richtig gut, um sich auszuprobieren und eigene Songs live zu testen. Vor allem für junge Bands fehle dieses Angebot nach dem Ende des „White Rabbit“ definitiv. „Dort war es toll, es war immer viel los, es gab eine große musikalische Bandbreite und die Möglichkeit, sich zu vernetzen.“

Auch der Popbeauftragte sieht Handlungsbedarf

Auch Tilo Buchholz, Popbeauftragter der Stadt Freiburg, sieht Handlungsbedarf. Gerade der niederschwellige Zugang auf eine Bühne für neue, unbekannte Bands, den das „White Rabbit“ geboten habe, fehle. Angebote in bestehenden Venues könnten punktuell helfen. Daher habe er im November begonnen, sich mit Akteuren auszutauschen, die aktuell oder früher in verschiedenen Locations Abende oder Reihen im Format einer offenen Bühne veranstaltet oder organisiert haben.

„Aktuell sammele ich deren Ideen und Bedürfnisse, um zu schauen, ob sich das irgendwie sinnvoll bündeln lässt“, erklärt er. Eine finanzielle Unterstützung durchs Kulturamt wäre zwar wünschenswert. Zurzeit sei der Fördertopf für Rock, Pop und Jazz aber mit etwa 14.000 Euro pro Jahr eher klein und von vielen Einzelprojekten umworben oder in Beschlag genommen.

Ob es in Freiburg bald mehr Angebote geben wird, bleibt unklar. Im „Eimer“ wird in jedem Fall weiter musiziert. Der Gitarrist, den Schillberg auf die Bühne geholt hat, jammt nach dem Host mit zwei Mitmusikern. Kurz darauf gibt es den nächsten Wechsel: Ein weiterer Künstler hat sich angekündigt.

Foto: © Pascal Lienhard