„Hey, wir machen ja Thrash Metal!“ – Freiburger Band Hedvig veröffentlicht Debüt ohne Scheuklappen 4Musik | 29.04.2022 | Pascal Lienhard

Max Bonengel, Raffaello und Jacopo Dazzi (v. l. n. r.) sind „Hedvig“ Thrash Metal ohne Scheuklappen: Max Bonengel, Raffaello und Jacopo Dazzi (v. l. n. r.) sind „Hedvig“.

Schuld an allem ist der Vater. Schon im Kindesalter versorgte er Raffaello und Jacopo Dazzi mit Musik. Alben von Künstlern wie den Doors, Pink Floyd, Led Zeppelin und Deep Purple – ein ordentliches Starterpaket. Das hat Früchte getragen. Schon seit Jahren machen die Brüder Musik, mit Max Bonengel haben sie als „Hedvig“ jetzt ihre erste Platte veröffentlicht.

Die Brüder Dazzi ließen es musikalisch schon früh im elterlichen Keller in Straßburg krachen. Die Band „Hedvig“ gibt es seit 2019, in der heutigen Besetzung mit Bonengel am Bass seit 2020. Beheimatet ist das Trio in Freiburg. Seine Musik hat es in sich, wie das Debüt „Regain Control“ beweist. Nach einem kurzen Intro startet „Power to the People“. Vor dem inneren Auge fliegen überlange Haarpracht und Bierkrüge durch die Luft, im Refrain recken sich geballte Fäuste in die Höhe. Neben der Gitarre malträtiert Jacopo Dazzi auch die Stimmbänder. Raffaello Dazzi verdrischt die Drums, der Bass von Bonengel wummert ordentlich. Und natürlich darf auch das Gitarrensolo nicht fehlen. Ein starker Einstieg.

Wer für das Trio eine musikalische Schublade sucht, wird es wohl in jene mit der Aufschrift „Thrash Metal“ stecken. Der Stil verbindet – aufs Wesentliche heruntergebrochen – eine harte Instrumentierung mit einem aggressiv vorgetragenen Gesangsstil. „Die hohe Geschwindigkeit ist wahrscheinlich der zentralste Aspekt“, erklärt der 19-jährige Bonengel. „Als Referenz kann man sich die frühen Alben von Metallica anhören“, ergänzt Jacopo Dazzi. Zudem sind im Thrash Metal oft Ansätze des Punks zu hören. 

Das gilt für „Hedvig“ in doppelter Hinsicht. Titel wie „Power to the People“ oder „Regain Control“ könnten problemlos von einer Punkband kommen, Zeilen wie „No longer shall you submit to survive, no longer shall you work, consume and die“ sind Gesellschaftskritik pur. „Politisch stehen wir ganz klar links“, sagt Jacopo Dazzi. Jedoch wolle man nicht nur die eigene Blase bedienen.

Könnte da der Bandname helfen? Bei „Hedvig“ mag man zuerst an die Schneeeule von Zauberlehrling Harry Potter denken. „Damit hat das nichts zu tun“, stellt Raffaello Dazzi klar. Der Name ist einem Charakter aus dem Stück „Die Wildente“ des Norwegers Henrik Ibsen aus dem 19. Jahrhundert entnommen. Weltgewandtheit kann man dem Trio kaum absprechen. So ist es auch nicht nur klassischer Thrash Metal, der bedient wird. „Wir haben erst mit der Zeit gemerkt, dass wir Thrash Metal machen“, erklärt der 25-jährige Raffaello Dazzi. 

Auch andere Einflüsse kommen zum Tragen. „Pleasure is Pain“ etwa beginnt langsam, baut sich Stück für Stück auf, ehe es losrockt und sich zu einem Highlight der Platte mausert. Im Rausschmeißer „Schwarzwald Thrash“ wechselt Jacopo Dazzi ins Deutsche und besingt irre Gestalten, die nachts ums Feuer tanzen. „Da war ich von der Fastnacht beeinflusst“, sagt der 22-Jährige grinsend.

Ungefähr zwei Jahre arbeitete die Band an ihrem Album, die Drums wurden schon Anfang 2020 aufgenommen. „Wir sind große Prokrastinierer“, gesteht Raffaello Dazzi schmunzelnd. Zudem habe man mit Beruf und Studium zum Teil viel um die Ohren gehabt. Inzwischen arbeite man aber konsequenter. Aufgenommen wurde in Eigenproduktion in Kehl und Freiburg, für Mix und Mastering holte sich das Trio Christoph Brandes von Iguana Studios aus der March ins Boot. „Ihm haben wir viel zu verdanken“, sagt Jacopo Dazzi.

„Wir wollen jetzt so viele Shows wie nur möglich spielen“, führt der Sänger aus, „wir spielen liebend gerne live.“ Dass die Band auf der Bühne ankommt, hat ihr Auftritt bei „Freiburg stimmt ein“ im vergangenen Jahr gezeigt. Der erste gemeinsame Gig war ein Erfolg – inklusive Wall of Death. Das Ritual wird vor allem in härteren Musikrichtungen gepflegt und wird für Uneingeweihte auf ewig ein Mysterium bleiben. Das Publikum teilt sich in zwei Blöcke, um auf ein Signal hin frontal aufeinanderzuzurasen. Über den Sinn werden sich die Geister noch lange streiten – für eine junge Band wie „Hedvig“ ist es aber eine echte Ehre.

Die Musiker arbeiten bereits an Songs für eine zweite Platte. Das Debüt wurde inzwischen sogar schon aus den USA geordert. Ob das auch ohne die frühe Beschallung mit Led Zeppelin und Co. so gekommen wäre? Fans von Gitarrenmusik können dem Vater der Dazzis jedenfalls dankbar sei.

Foto: © tyrellwellig