Jan Böhmermann und das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld in der Sick-Arena: Ironisches und Politisches 4Musik | 09.01.2023 | Pascal Lienhard

Jan Böhmermann in Freiburg Setzt auf Ironie: Jan Böhmermann in Freiburg

Er ist ein Meister der Ironie: Regelmäßig diskutieren Medien und Öffentlichkeit darüber, wie Jan Böhmermann seine Aussagen und Beiträge gemeint hat. Wer keine Ironie versteht, hatte am Samstag in der ausverkauften Freiburger Sick-Arena wenig zu lachen. Dort luden Böhmermann und das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld zu einer mehr als zweistündigen musikalischen Werkschau – inklusive Gastauftritts eines beliebten Alter Egos.

Zeitweise wird es ziemlich voll auf der Bühne. An die 20 Musiker·innen hat Jan Böhmermann mit in den Breisgau gebracht. Ein Kabarettist, der mit einem Orchester auf Tour geht: Auf den ersten Blick ist das ungewöhnlich. Wer Böhmermanns TV-Show „ZDF Magzin Royale“ (ehemals „Neo Magazin Royale“) kennt, weiß aber, dass das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld (RTO) und eigens getextete Lieder dort eine tragende Rolle spielen. Die charismatische Keyboarderin und Sängerin Olivia Sawano sowie die energiegeladene Claudia Lippmann an der Percussion etwa sind aus der Show kaum wegzudenken.

Zynischer Après-Ski-Song

Nicht minder eng als auf der Bühne wird’s im Publikum: Mit 5000 Gästen ist das Konzert ausverkauft. Der Applaus ist groß, als Böhmermann mit FFP2-Maske zu „Ischgl-Fieber (Husti Husti Heh!)“ auf die Bühne tritt. Die Nummer basiert auf einem Song von Andreas Gabalier. In der umgeschriebenen Version geht’s um wilde Partys in der Wintersportmetropole Ischgl. Die österreichische Gemeinde wurde 2020 zu einem Drehpunkt für die Ausbreitung des Coronavirus. Musikalisch kommt Böhmermanns Track im Stile einer Après-Ski-Nummer daher. Da singen – es lebe die Ironie – auch jene mit, die sonst nichts von dieser Art von Musik halten.

Jan Böhmermann in Freiburg

Hier noch mit Maske: Satiriker Jan Böhmermann verballhornt Andreas Gabalier.

In den folgenden mehr als zwei Stunden thematisiert der 41-jährige Satiriker – nun ohne Maske – Themen wie Cyberkriminalität („Die Polizei ist nicht im Internet“), die prekäre Stellung von Paketzulieferern („Wir sind Versandsoldaten“) oder die Einladung des AfD-Politikers Alexander Gauland auf eine Feier der FAZ („Licht an! Licht an!“). Ein Song über die Versäumnisse der Verkehrspolitik („Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?“) ist in Freiburg eine Steilvorlage: „Ihr könnt ja direkt nach der Geburt schon alle Fahrradfahren!“, ruft Böhermann. Zudem scherzt er darüber, dass hier im Süden eine Freizeitstätte, der Europa-Park, die andere Freizeitstätte, das SC-Stadion, sponsert.

Es geht auch ohne Lacher

In einem seiner gelungensten Stücke macht sich Böhmermann über Teile der deutschen Musiklandschaft lustig. Die 2017er-Nummer „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“ ist wie ein klassischer Radio-Deutschpop-Song arrangiert. Für den Text wurden unter anderem Kalendersprüche, Werbeslogans und Redewendungen verwendet. Während des Songs recken sich in der Arena Arme und Handy-Lichter nach oben, es wird inbrünstig mitgesungen: Da ist sie wieder, die Ironie.

Konzert von Jan Böhmermann

Ausverkaufte Location: 5000 Gäste sind in die Sick-Arena gekommen.

Eine Nummer ganz ohne Lacher wird zu einem Highlight. Schon kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hatte Böhmermann in seiner Show das Stück „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ performt. Der Text wurde 1961 während des Kalten Krieges von dem Dichter Jewgeni Jewtuschenko geschrieben und von dem Komponisten Eduard Kolmanowski vertont. Das Antikriegslied hat 62 Jahre später eine bedrückende Aktualität.

Spielfreude und originelle Arrangements

Zwar ist es ganz klar Böhmermann, der in der Sick-Arena im Rampenlicht steht. Es ist jedoch keine Anmaßung, ihn den musikalisch unerfahrensten Künstler des Abends zu nennen. Mit viel Spielfreude und originellen Arrangements interpretiert das RTO Songs wie „Can you feel it?“ von den Jackson Five oder „Get Lucky“ von Daft Punk. Für den charakteristischen Sound sorgt vor allem der musikalische Leiter Lorenz Rhode. Seinen Synthesizer spielt er gerne mal mit einer Talk Box. Das Gerät erlaubt es ihm, die Klänge seines Instruments mit einem Schlauch im Mund zu verfremden.

Jan Böhmermann in Freiburg

Geballte Musikalität: Das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld heizt ein.

Den Song, auf den wohl die allermeisten gewartet haben, sparen sich die Musiker·innen für die Zugabe auf. Als sein Alter Ego Polizistensohn performt Böhmermann im Stile von Rapper Haftbefehl „Ich hab‘ Polizei“ und preist parodistisch die Exekutive. Damit landete er 2015 einen Hit, bis heute hat der Song mehr als 20 Millionen Aufrufe auf Spotify. Zeilen wie „Ich owne Polizei, denn ich zahl‘ Höchststeuersatz“ oder „Kelle raus, Handschelle, gute Nacht, Gewahrsamzelle“ sorgen auch heute noch für Lacher.

Eine Kuckucksuhr für Ehrenfeld

„Freiburg, ihr seid das beste Publikum, das wir je hatten“, beteuert Böhmermann. Jedoch nicht ohne anzukündigen, am Montag in Berlin die dortigen Gäste loben und über Freiburg schimpfen zu wollen. Doch vergessen werden der Kabarettist und seine Musiker·innen die Breisgaumetropole nicht. Dafür haben die Veranstalter von Vaddi Concerts gesorgt: Da Böhmermann und RTO die Arena ausverkauft haben, gab es eine Schwarzwälder Kuckucksuhr als Präsent. Vielleicht ist die ja Ende Januar im Studio in Köln-Ehrenfeld zu sehen, wenn das „ZDF Magazin Royale“ wieder auf Sendung geht.

Fotos: © Pascal Lienhard