Arbeit ohne Farbe: Wie eine Designerin die Krise erlebt f79 – das Jugendmagazin | 11.05.2021 | Lea Ritter & Angela Burrini

Covid-19 stellt vieles auf die Probe – auch die Kunst- und Design-Industrie. Erfahren hat das Tanja Unger aus Freiburg. Die 34-Jährige Designerin erzählt im Interview mit den f79-Autorinnen Lea Ritter und Angela Burrini von weggebrochenen Projekten, extremem Stress und dem Wunsch nach mehr Anerkennung für Kreative.

Designerin: Tanja Unger

f79 // Frau Unger, wie sah Ihr Berufsalltag vor Corona aus?

Unger // Mein Berufsalltag ist generell sehr bunt gemischt und je nach Projekt sieht er auch dementsprechend anders aus. Ich mache sehr viele Kreativprojekte. 90 Prozent der Arbeit ist trotzdem am Rechner, das heißt es ist sehr viel Planung, Umsetzung im CAD (computer aided design) und was tatsächlich ein sehr großer Anteil ist, ist alles was mit Organisation zu tun hat. Sei es Absprache mit Kunden oder Abrechnungen usw.

f79 // Was hat sich durch Corona in Ihrem Alltag verändert?

Unger // Es hat sich am Anfang so viel verändert, dass erstmal alle Projekte weggebrochen sind, weil sobald ich im kreativen Bereich unterwegs bin keiner mehr investieren will. Vor allem nicht, wenn es so eine unsichere Lage gibt. Ich hatte dann das Glück, dass ich zum einen als Subunternehmer in ein Architekturprojekt mit reingerutscht bin, was mich über Wasser gehalten hat. Ich arbeite unabhängig davon auch seit Herbst noch an der Schule und unterrichte dort Gestaltung und Medientechnik. Ich kann jetzt tatsächlich für mich nicht sagen, dass ich gerade irgendwo nichts habe, aber es ist extrem stressig geworden und die künstlerischen Projekte gibt es leider aktuell nicht.

f79 // Welche Folgen entstehen dadurch?

Unger // Die Kunden sind nicht investitionsfreudig und dementsprechend muss man natürlich seine Aufträge anpassen. Projekte, wo das Herz dranhängt, gehen gerade halt nicht.

f79 // Auf einer Skala von 1 bis 10, wie sehr sind Sie finanziell von der Krise betroffen?

Unger // Das ist gerade schwer zu sagen. Anfangs hat’s mich voll getroffen, da hätte ich wahrscheinlich gesagt 8 bis 9. Ich habe jetzt einfach umdisponiert. Ich habe auch einen Bereich, wo ich einigermaßen flexibel sein muss. Aktuell geht es mir ganz gut.

f79 // Wie hoch sind ihre Verluste?

Unger // Das kann man so schwer sagen. Es sind viele emotionale Verluste in dem Sinne, dass man natürlich im kreativen Beruf erlernt und sich drauf fokussiert und natürlich was aufbaut an Unternehmen und bewirbt, wo das Herz dranhängt. Dann ist man natürlich auch erpicht genau in dem Bereich zu arbeiten.

f79 // Gibt es Dinge in ihrem Beruf, die Sie durch die Krise nicht mehr rückgängig machen können?

Unger // Was ein großes Problem sein wird für alle künstlerischen Berufe und kreativen Berufe ist, dass es vielen Betrieben in den nächsten Jahren einfach nicht gut gehen wird und das ist natürlich die Basis dafür, dass solche Berufe im kreativen Bereich bestehen können. Wenn die, die in solche Sachen investieren, kein Geld mehr haben, dann sind die Ersten, die es trifft, natürlich die Kreativen und die Künstler, die sowieso schon schlecht bezahlt sind.

f79 // Was wünschen Sie sich von der Politik?

Unger // Ich wünsch mir zum einen, dass künstlerische Berufe und Kultur mehr Anerkennung bekommen. Dass die Politik finanziell andere Möglichkeiten schafft, um den Künstlern und den Kreativen gerade eine Überlebenschance zu geben. Ich wünsch mir aber auch generell, dass die Menschen begreifen, was eine Welt ohne Kultur und Kreative tatsächlich bedeutet. Mir ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass jeder bereit ist für ein Mercedes viel Geld hinzublättern, aber wenn es darum geht sowas zu fördern, es als nichtigen Werte ansieht. Da frage ich mich: Wo liegt mehr Wert drinnen? Ein Auto ist meines Erachtens ein Gegenstand, der fahren muss. Der was transportieren muss und der auch stabil sein sollte und lange halten sollte. Weniger ein Prestigeobjekt. Die Musik, die ganze Veranstaltungsbranche braucht Hilfe.

Zur Person

Tanja Unger, 34 Jahre alt, ist Designerin für Produkt, Raum und Modell. Ihr Fokus: Entwürfe, Möbel, Raum, Kunst, Szenographie und Marke. Sie hat eine kleine Werkstatt, das Atelier Unger, in der Sie einzelne Modelle und Prototypen manuell fertigt und so der handwerkliche Aspekt mit reinkommt.

Fotos: pixabay & atelierunger