Aufschieben abgewöhnen: Wie man nichts mehr auf den letzten Drücker macht News & Trends | 01.06.2018 | Vincent Rottmar

Wahrscheinlich kennst du das bestens: Du musst dein Zimmer aufräumen, Hausaufgaben machen oder willst endlich deine Jahresvorsätze erledigen. Du schiebst es auf, bis es fast zu spät ist. Machst viele andere Dinge. Erst wenn es fast zu spät ist, hast du genug Druck und fängst an, zu arbeiten. Auch ich kenne das nur zu gut.

Aufschieben bedeutet ausweichen auf schönere Aktivitäten. Und dann merkt man, dass man Stunden sinnlos im Internet verbracht hat. Gegen „Aufschieberitis“ gibt es unzählige Tipps. Einer lautet: „Sofort anfangen – Nein, nicht in fünf Minuten!“ Ein anderer: „Teamarbeit – sozialer Druck hilft.“ Ein dritter: „Unangenehmes zuerst erledigen – den Rest des Tages nicht mehr daran denken.“ Gefunden habe ich das auf der Seite talentrockt.de. Zumindest wird man da ermutigt: Aufschieberitis ist heilbar, schreiben die Autoren. Warum haben es dann so viele?

Wissenschaftler unterscheiden zwischen zwei Aufschieber-Typen: Der Erregungs-Aufschieber wartet auf den Kick, den der Zeitdruck erzeugt. Erst dann wird er kreativ. Also kurz vor der Zielgerade, wenn die Zeiger der Uhr schon so laut sind, dass man nix anderes mehr hört. Der zweite Typ sind Vermeidungs-Aufschieber: Sie haben Angst, zu versagen, und meiden deshalb die Arbeit.

Langsam wird mir klar: Um die böse Prokrastination K.O. zu schlagen, muss ich mir erst bewusst machen, was ich falsch mache. Also den Gegner kennenlernen, seine Schwachstellen herausfinden, um ihn besiegen zu können. Einsicht ist schließlich der erste Schritt zur Besserung.

Ein weiterer Tipp aus dem Netz: „Fang sofort an!“ Das klingt effektiv. Alle Gedanken, die dich an der Arbeit hindern, werden ausgeschaltet. Schon hast du begonnen. „Vermeide dabei, dich abzulenken oder dich ablenken zu lassen“, raten Profis. Handy, Rechner, Fernseher … Vor allem elektronische Geräte verlocken zur Zeitverschwendung. Auch mich.

Noch ein schlauer Tipp aus dem World Wide Web: „Setze deine Prioritäten schlau.“ Wir wägen also ab, was wichtiger ist: Hausaufgaben oder Instagram? Rational ist das leicht beantwortet. Mit dem Herzen aber auch. Vielleicht hilft es, vorauszudenken. Welchen Effekt hat etwas auf meine Zukunft? Was bringt mich voran?

Ordnung ist das halbe Leben. Alles neigt zum Chaos, das ist ein physikalisches Gesetz. Umso schwieriger ist es, Ordnung zu bewahren. Dass Unordnung ablenkt, weiß ich aus eigener Erfahrung. Also stimmt folgender Tipp wohl auch: „Räume zumindest den Schreibtisch auf und der Arbeitsplatz wird viel komfortabler.“

Wenn man wie ich ein „Problem“ mit Perfektionismus hat, muss man sich davon befreien. Es gilt: Nichts ist perfekt, egal wie viel Mühe dahintersteckt. An winzigen Details zu arbeiten, raubt Zeit. Perfektionismus ist der große Bruder der Prokrastination.

Mit der kennt sich auch Personal Trainer Reinhard Kotter aus. Das Phänomen gehört zu den häufigeren Coachingthemen, berichtet der Freiburger. „Es gibt viele Standardthemen und das ist eins davon“, erzählt der 67-Jährige. Doch welche Psychologie steckt hinter Aufschieberei? „Sehr komplex“, sagt er. Prokrastination sei keine offizielle Krankheit, sondern eine Störung, die viele Ursachen haben kann: Überlastung, Burnout, Depression, Lebenskrise. „Das Gehirn arbeitet nach dem Lustprinzip“, sagt Kotter. Es sei natürlich, spaßigere Aktivitäten zu bevorzugen.

Ich bin mir sicher: Gerade das macht den Kampf gegen die Aufschieberei so schwierig. Doch selbst einfache Tipps helfen manchmal. Der Text hier ist pünktlich fertig. Da strahlt dann auch der Chef.

“Aufschieberitis ist heilbar“

Die Autoren von talentrocket.de sind überzeugt – „Aufschieberitis ist heilbar“. Hier fünf ihrer Tipps:

1. Sofort anfangen – Nein, nicht in 5 Minuten
2. Teilerfolge feiern
3. Unangenehmes zuerst erledigen
4. Handy, Internet und Mitbewohner auf stumm schalten
5. Pausen machen – Konzentration zurückgewinnen

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