Gefährliches aus dem Netz: Autorin warnt mit Buch „Bis einer stirbt“ vor digitaler Drogenszene News & Trends | 14.12.2021 | David Baldysiak
Drogen. Mittlerweile sind sie auch im Internet verfügbar. Die Journalistin Isabell Beer hat dazu „Bis einer stirbt“ geschrieben, das als Jugendbuch im Carlsen Verlag erschienen ist. Es erzählt die wahre Geschichte von zwei jungen Menschen im Drogensumpf. Im Interview mit f79-Autor David Baldysiak spricht Beer von Beklemmung, Gefahren und Auswegen.
Das Buch ist ein aufwühlender Bericht über Drogendealerei im digitalen Zeitalter. Nach ersten Konsumerfahrungen rutscht Josh in die Drogenszene im Internet ab. Er vernetzt sich mit anderen Konsumenten, bestellt immer krassere Substanzen, erhöht die Dosis. Online lernt er auch die heroinabhängige Leyla kennen. Anders als Josh bewältigt sie ihren Alltag. Aber die Drogen kosten beide viel: nicht nur Zeit für Freunde oder Familie, sondern auch Freiheit und Gesundheit.
f79: Frau Beer, wie kamen Sie auf das Thema?
Beer: Das fing an, als ich auf Facebook-Gruppen gestoßen bin, die sich mit dem Thema Drogen beschäftigt haben. Mich hat interessiert, was darin vorgeht. Ich bin mit verschiedenen Profilen beigetreten und habe mitgelesen. Man kann sich nicht vorstellen, dass da jemand öffentlich mit Drogen handelt. Aber das ist tatsächlich passiert.
f79: Was haben Sie dort entdeckt?
Beer: Auch Minderjährige und Jugendliche waren Mitglieder. Sie haben sich über Substanzen ausgetauscht. Leute haben gepostet, was sie sich geben. Also wirklich von Cannabis bis hin zu Heroinspritzen. So bin ich auf Josh und Leyla gestoßen.
f79: Die beiden wollen „alles mal ausprobieren“. Was können junge Menschen gegen diesen Drang tun?
Beer: Das ist ein echt krasses Gefühl, weil man sieht, Leute werfen sich irgendwas ein und sind in einer ganz anderen Welt. Ich würde raten, ganz genau darüber nachzudenken, ob man das machen will und ob das wirklich die eigene Entscheidung ist. Oder möchte man das nur machen, weil man dazugehören will?
f79: Wenn ein Freund in die Szene abrutscht, wie reagiert man da?
Beer: Man kann mit dem Freund reden. Aber nicht, dass man sagt: „Du darfst das nicht machen.“ Man sollte ehrlich versuchen, zu sprechen. Auch über Safer-Use-Regeln. Man kann sagen: „Setz dich damit auseinander.“ Und wenn man das Gefühl hat, das driftet total ab, kann man sich an öffentliche Stellen wenden, die einem da weiterhelfen können.
f79: Leyla will, dass das Buch den Drogenkonsum nicht romantisiert. Wird das oft verherrlicht?
Beer: Ich glaube, das hat sich nicht verändert im Vergleich zu früher. Mir ist nur aufgefallen, dass das in der Musik viel vorkommt. Das zieht sich durch die Geschichte. Heute bei Capital Bra und Tilidin, über das er sehr undifferenziert rappt. Jugendliche denken vielleicht, dass sie denen nah sein können, wenn sie das auch nehmen. Das halte ich für ein großes Problem.
f79: Ein Problem von Leyla und Josh ist, dass sie mit niemandem über ihre Sucht reden können. Gibt es dafür eine Lösung?
Beer: Ich glaube, als Eltern ist es schwierig zu helfen. Für viele Jugendliche ist das eine Zeit, da möchte man nicht mit ihnen über Probleme reden. Es ist nur wichtig, es überhaupt zu tun. Ob das Freunde sind oder die Telefonseelsorge, der Online-Kummerkasten, wo man auch im Chat schreiben kann. Es gibt ja auch Therapieangebote, die man ab einem gewissen Alter wahrnehmen kann.
Die Autorin
Isabell Beer, geboren 1994, arbeitet als Journalistin für funk, das junge Angebot von ARD und ZDF, und schreibt freiberuflich für DIE ZEIT. Für eine Undercover-Recherche wurde sie für den Deutschen Reporterpreis in der Kategorie Investigation nominiert. „Bis einer stirbt – Drogenszene Internet“ ist ihr erstes Buch. Für die zugrundeliegende ZEIT-Recherche erhielt sie den Otto-Brenner-Newcomerpreis 2019.
Fotos: © iStock.com/standret; privat; Carlsen Verlag
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