„Der größte Fehler: mit Angst motivieren“ – Experte Wolfram Rollett zur Frage, wie perfekter Unterricht geht? Schule & Lernen | 10.12.2018 | Till Neumann

Was macht guten Unterricht aus? Was sollte man dafür können? Was muss man vermeiden? Antworten darauf hat Wolfram Rollett. Der Freiburger Professor für Empirische Bildungsforschung der Pädagogischen Hochschule Freiburg bildet seit 20 Jahren Lehrer aus. Im Interview mit f79-Redaktionsleiter Till Neumann erzählt der 51-Jährige, was Lehrer tun sollten – und was nicht.

f79 // Herr Rollett, können Sie den perfekten Lehrer beschreiben?
Rollett // Nein, den perfekten Lehrer gibt’s nicht. Viele Wege führen zu gutem Unterricht.

f79 // Es gibt aber sicher Grundvoraussetzungen, oder?
Rollett // Ja, drei Bedingungen sollte ein Lehrer erfüllen. Die erste ist Klassenführung. Man muss die echte Lernzeit hochhalten, klare Strukturen schaffen und dafür sorgen, dass Regeln eingehalten werden. Ist das gegeben, geht das Arbeiten erst richtig los.

f79 // Kommen wir zur zweiten Voraussetzung. Wie sieht die aus?
Rollett // Da geht’s um individuelle Unterstützung für die Schülerinnen und Schüler. Also alles, was gutes Lernen ermöglicht. Ein Lehrer sollte sehen, wo seine Schüler stehen und eingreifen, wenn nötig. Da gilt es, das richtige Tempo für jeden Schüler zu finden. Nur mit Frontalunterricht geht das nicht. Dafür muss man den Unterricht ändern, zum Beispiel durch Selbstlernphasen oder Gruppenarbeit. Dann kann man auch mal beobachten und merkt, wer was noch nicht kann.

Wolfram Rollett

f79 // Klingt anspruchsvoll. Jetzt fehlt noch ein dritter Punkt …
Rollett // Wir nennen das die kognitive Aktivierung. Unterricht und Aufgaben müssen interessant, spannend und herausfordernd sein. Man sollte zum Beispiel in Mathe nicht einfach eine Formel vortragen, sondern besser ein Problem stellen und die Lösung gemeinsam herausfinden. Statt alle das Gleiche machen zu lassen, ist es besser, für jeden passgenaue Aufgaben zu stellen.

f79 // Kann ich schlechte Noten immer auf den „schlechten Lehrer“ schieben?
Rollett // Nein. Lehrer können ein Lernangebot machen. Lernen kann der Schüler nur selbst. Man kann den Unterricht aber so gestalten, dass den Schülern das Lernen leichter und besser gelingt.

f79 // Sind beliebte Lehrer auch gute Lehrer?
Rollett // Beliebt heißt nicht zwingend gut. Man kann jemand mögen, auch wenn man nicht viel bei ihm lernt. Ein richtig guter Lehrer schafft es, beliebt zu sein und seinen Schülern viel beizubringen.

f79 // Was ist der größte Fehler, den ein Lehrer machen kann?
Rollett // Ich persönlich würde sagen: zu versuchen, mit Ängsten zu motivieren. Das hat sehr viele Nachteile. Es schadet dem Lernen, gefährdet die Motivation und führt zu Prüfungsängsten. Das kann Schülern lange Probleme bereiten.

f79 // Wie schwer ist es überhaupt, ein guter Lehrer zu sein?
Rollett // Sehr schwer! Dazu muss man sich nur überlegen, wie viele Schüler sie unterrichten. Das können in der Sekundarstufe 200 oder mehr sein, denen man ja allen gerecht werden soll. Dazu kommen Eltern und Lehrerkollegen. Aus Befragungen wissen wir, dass Lehrkräfte in einer Unterrichtswoche im Durchschnitt etwa 55 Stunden arbeiten. Gleichzeitig steigen die Erwartungen. Ein Beispiel ist die Individualisierung. Alle wünschen sich das, aber das kann ein Lehrer nicht für alle Schüler wirklich leisten.

Drei Freiburger Schuler verraten was einen guten Lehrer auszeichnet:

Deborah Schmieder: Ein Lehrer sollte gut erklären können und auf Fragen eingehen. Wichtig ist, dass er laut und deutlich redet. Er sollte außerdem freundlich, aber bestimmt sein. Ich mag Lehrer, die ihre Schüler gut auf eine Klassenarbeit vorbereiten. Sie schaffen es, Defizite ihrer Schüler zu berücksichtigen und aufzuarbeiten. Ein NO-GO für mich ist, zu viele Hausaufgaben zu geben.

David Neufang: Wichtig für einen guten Lehrer sind Humor und Motivation. Er oder sie sollte Verständnis mitbringen für familiäre Angelegenheiten – zum Beispiel Zeitdruck. Da man besser lernt, wenn man sich wohlfühlt, sollte eine respektvolle, aber entspannte Atmosphäre herrschen. Dafür ist auch der Lehrer zuständig. Was ich nicht mag ist, wenn ein Lehrer denkt, dass das eigene Fach das wichtigste und einzige ist.

Sophia Sarcoli: Mir kommt es auf gleiche und faire Behandlung an. Außerdem sollte er interessanten Unterricht machen. Praktisch zu arbeiten ist super, da kann man sich die Sachen einfach besser merken. Ich schätze es, wenn ein Lehrer auf Schüler eingeht und Verständnis zeigt, wenn sie Probleme haben. Gute Lehrer schaffen es, ihre Rolle als Chef der Klasse nicht auszunutzen.

Fotos: © Fotolia/Stefanie Lenker; tln; Sophia Sarcoli, Deborah Schmieder