„Ein Mittel von Diktaturen“: Kommentar zu den Lehrer-Meldeportalen der AfD Schule & Lernen | 02.01.2019 | Paulina Henning von Lange 

Die umstrittenen Plattformen der AfD sorgen für Empörung. Unter dem Slogan „Mein Lehrer hetzt!“ ruft die Partei damit Schüler und Eltern auf, AfD-kritische Lehrkräfte zu melden.

Die rechts­orientierten Politiker pochen auf die in Schulen vorgeschriebene „Neutralitätspflicht“ – und ernten einen Shitstorm. Paulina Henning von Lange, die 2017 in Freiburg Abitur gemacht hat, findet: Die Plattformen gehören in ein ganz anderes Zeitalter.

Ende September ging in Hamburg die erste Plattform unter dem Namen ­„Neutrale Schu­le“ online. Es folgten Portale in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg. Weitere sind in Thüringen oder Niedersachsen geplant. Schüler sollen dort Lehrer melden, die im Unterricht offen die AfD kritisieren. Für zahlreiche Lehrkräfte ist das eine Kampfansage.

Auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) ist empört: Sie bezeichnet die Aktion der Partei als „ein Mittel von Diktaturen“. Ähnlicher Meinung waren auch die mehr als hundert Lehrer aus Hamburg, die sich in einem offenen Brief gegen die Portale aussprachen. „Wir lehnen diesen Zensurversuch als politische Unkultur entschieden ab.“ Mit dem Schreiben möchten sie auch betroffene Kollegen unterstützen.

Der Unmut ist begründet. Deutsche Beamte legen zu Beginn ihrer Berufslaufbahn einen Eid ab, mit dem sie sich verpflichten, das deutsche Grundgesetz zu wahren. Der 1. Artikel besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ AfD-Politiker, die Waffengewalt gegen Geflüchtete fordern und den Holocaust als „Vogelschiss“ bezeichnen, treten diese Konsti­tution mit Füßen.

Selbstverständlich werden derartige Aussagen im Unterricht kontrovers diskutiert. Die Neutralitätspflicht verletzen die Lehrer damit keinesfalls – solange sie objektiv über die Instrumentarien der AfD aufklären. Welche Meinung die Schüler vertreten, steht allein ihnen offen.

Paulina Henning-von Lange

Wenn ich mich an meinen eigenen Politikunterricht zurückerinnere, stelle ich mir vor allem eine Frage: Wie soll eine politische Aufklärung stattfinden, wenn man sich nicht kritisch mit den Inhalten einer Partei auseinandersetzen kann? In meinem Unterricht war die AfD ein immerwährendes Thema – und auch hier wurde hitzig diskutiert. Doch nie hatte ich dabei das Gefühl, von meinem Lehrer eine Meinung vorgekaut zu bekommen. Ganz im Gegenteil. Die Grundsäulen des Unterrichts: Hinterfrage alles. Informiere dich. Bilde dir eine eigene Meinung.

Trotz des Shitstorms feiert die AfD ihre Plattformen als Erfolg. In einer Zwischenbilanz verzeichnete das Berliner Portal rund 10.000 Aufrufe sowie etwa 5000 Meldungen in nur zwei Wochen. Viele davon sind Spam, ist zu lesen. Dennoch sollen zehn der Fälle in Bearbeitung sein. Die Partei will Dienstaufsichtsbeschwerden einreichen. Tatsächliche Strafverfahren wegen einer Verletzung der Neutralitätspflicht seien jedoch sehr selten, man spreche von ein paar vereinzelten Fällen in einem Zeitraum von 15 Jahren, berichtet die Frankfurter Rundschau.

Ich bin der Meinung: Die Aktion der AfD macht vor allem eines zum wiederholten Male deutlich: Sie scheut sich nicht, in die unterste Schublade zu greifen, wenn es um Publicity geht. Eine Partei, die Angst in den Lehrerzimmern verbreitet und Schüler für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert, gehört für mich in ein dunkleres Zeitalter der deutschen Geschichte. Ich persönlich halte es mit den Hamburger Lehrern: „Wir sind viele und wir lassen uns nicht den Mund verbieten.“

Fotos: © iStock.com/ Alex Brylo; privat