Bela Gurath über Sea You, Schlossberg Festival und Notfallpläne STADTGEPLAUDER | 26.03.2021 | Liliane Herzberg

Außengelände des Sea You Festivals Optimismus: Wie der Festival­sommer aussehen wird, ist momentan noch ungewiss. Aber noch heißt es, die Hoffnung nicht aufzugeben.

Tausende Menschen, eng an eng, feiern, tanzen, trinken. Momentan ist das noch unrealistisch. Finden auch die Freiburger Festivalveranstalter. Wie es mit dem ZMF 2021 weitergeht, wird erst in einigen Wochen beschlossen, sagt Sprecherin Hanna Teepe auf Anfrage. Christoph Römmler will die Entscheidung fürs I EM Music im Juni treffen. Auch Bela Gurath, Organisator des Sea You und Schlossberg Festivals, hat noch keinen konkreten Plan, erzählt er im Interview mit chilli-Volontärin Liliane Herzberg. Aber er hat ein Ass in der Tasche.

cultur.zeit: Herr Gurath, können das Sea You und Schlossberg Festival stattfinden?
Gurath: Beides sehe ich zur Stunde nicht. Aber ich sage sie noch nicht ab. Wir haben Alternativformate erarbeitet und warten jetzt die nächsten vier bis sechs Wochen ab, was passiert und welches Signal aus der Politik kommt. Die Mutation ist die große Unbekannte, ich glaube, wir müssen uns noch ein bisschen gedulden. Wir gehen aber nicht von Großformaten aus.

cultur.zeit: Sondern?
Gurath: Wir haben Konzepte von 1000 bis 8000 Personen pro Tag vorbereitet. Wenn klar ist, dass das Sea You nicht stattfindet, dann gibt es „Back to Life – präsentiert vom Sea You“ und das hat natürlich ein anderes Mengengerüst. Auch sehr umfangreiche Hygienemaßnahmen, mit Antigen-Schnelltests, jeder, der dann kommt, wird vorher getestet, überproportional viele Quadratmeter pro Person, hundert Prozent Open Air. Wir hoffen, dass wir wenigstens Ende August, Anfang September noch irgendwas am Markt produzieren können, weil alle unsere Seelen das brauchen. Die Konzepte sind in einer Schublade, und wir warten nur, welche wir aufziehen können.

Stand jetzt gehen wir nicht von Großformaten aus

cultur.zeit: Wie würde das Back-to-Life-Festival aussehen?
Gurath: Ich habe mit den umliegenden Bürgermeistern und der Stadtverwaltung gesprochen. Wenn Back to Life kommt, kann ich an zwei Wochenenden den Tunisee bespielen. Beim Sea You Festival ist sonst ein Quadratmeter pro Person die grobe Richtlinie, beim Back to Life kann ich so weit ausdehnen, dass eine Person auf zehn Quadratmeter kommt, dann kommt man da eher hin und fragt sich, öh, was ist denn hier los. Beim Schlossberg Festival ist es schwieriger, da ist fast keine Infrastruktur, das ist sehr aufwendig zu produzieren und der Platz ist begrenzt. Es macht keinen Sinn, das in der Güteklasse zu veranstalten, wie die Leute es kennen, und dann sind 200, 300 Leute auf dem Berg. Das ist wirtschaftlich überhaupt nicht darstellbar. Deswegen ist das zur Stunde noch unrealistischer.

Bühnenbereich beim Sea You Festival

cultur.zeit: Was passiert mit den bereits gekauften Eintrittskarten, bleiben die Tickets noch ein weiteres Jahr gültig?
Gurath: Wir haben jetzt noch 12.000 valide Tickets und würden die Leute wieder bitten, die umzutauschen für nächstes Jahr. Das hat ja letztes Mal schon sehr gut geklappt, die Leute waren sehr solidarisch, da hatten wir nur 18 Prozent, die gesagt haben, nee, ich will mein Geld zurück. Und umso schöner wäre es, wenn ich da ein Back-to-Life-Konzept hätte, dann könnte ich den Leuten ein Vorkaufsrecht anbieten.

cultur.zeit: Das Line-up des Sea You steht bereits seit 2020. Bleiben die Künstler weiter dabei?
Gurath: Wir haben jetzt ja schon Erfahrung, wie man verschiebt, wir haben geltende Verträge und dann redet man mit den Künstlern. Die Masse ist ja auch im Lockdown. Und unser Move war, das ganze Programm ins Jahr 2021 zu ziehen, das hat ja letztes Mal auch schon geklappt.

cultur.zeit: Ein Festival in der Größenordnung des Back to Life, lohnt sich das überhaupt?
Gurath: Mit 1000 Besuchern pro Tag verdienen wir nichts, aber es ist ein Zeichen an unsere Community, wir kümmern uns um die Seelen unserer Fans und ein bisschen um die Dienstleister, Zulieferer. Ich habe mich gefragt, ob ich mir den Stress mache für 1000 pro Tag, aber ich will meinen Mitarbeitern zeigen, wir können was machen, auch wenn es eine Art Kindergeburtstag ist. Zur Zukunft des Schlossberg Festivals bin ich im Gespräch mit der Stadt, wir machen ein, zwei Anpassungen, ihr Signal sieht gut aus, dass sie das unterstützen und honorieren, was wir machen, aber ich will noch nicht konkreter werden.

Schlossbergfest mit Sonnenuntergang

cultur.zeit: Könnten Sie sich vorstellen, nur Geimpfte aufs Gelände zu lassen?
Gurath: Die Leute, die sich nicht impfen lassen, verstehe ich persönlich nicht. Ich befürworte Impfungen, kann mir aber nicht vorstellen, dass es in Deutschland zur Bedingung wird. Wenn 60, 70 Prozent durchgeimpft sind, sehe ich nicht die Notwendigkeit, das zu reglementieren. Ich gehe davon aus, dass wir Ende des Jahres schon wieder viele Freiheiten haben. Ich bin felsenfest überzeugt, dass wir im September mit Biergärten und vollen Restaurants arbeiten können.

Sea You Festival Luftaufnahme

cultur.zeit: Was bedeutet ein weiterer Ausfall der Festivals finanziell für Sie und Ihr Team?
Gurath: Wir verlieren jeden Monat Geld. Es kommt also drauf an, wie lange der Lockdown ist, jeden Monat türmen sich Gelder auf, ich lebe von meinen Rücklagen, die Hilfsgelder kommen zum Großteil nicht an. Das sind Nebelkerzen, eigentlich erbärmlich. Sie haben viel Gutes getan, gerade das Kurzarbeitergeld für meine Mitarbeiter, aber für die Wirtschaft ist es zum Teil verheerend. Der Worst Case ist, dass wir zwei Jahre lang nicht am Markt sind, das ist schon brutal. Die Produktionskosten vom Sea You sind fünf Millionen Euro, was davon verloren geht, wissen wir am Ende des Tages. Jetzt kommt die dritte Überbrückungshilfe, da wissen wir nicht, ob es die nächsten Blendgranaten sind? Ich hoffe, dass die Politik versteht, wie wichtig Kultur ist und dass sie hilft, Rahmenbedingungen anzupassen, die es vor Corona nicht gab, offener zuzuhören, was in der Zeit danach helfen kann.

cultur.zeit: Herr Gurath, vielen Dank für dieses Gespräch.

Fotos: © Sea You Festival, Schlossbergfest GmbH