»Die Gefahr steigt«: Forst-Experten in Südbaden warnen vor Waldbränden – und bauen den Wald um STADTGEPLAUDER | 20.08.2022 | Philip Thomas

Waldbrand

Etwa 40 Prozent Baden-Württembergs, rund 1,4 Millionen Hektar, sind laut Ministerium für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz bewaldet. Knapp 20 Milliarden Bäume im Land sorgen für Sauerstoff, schützen den Boden, bieten Lebensraum für Tiere und Pflanzen, kühlen das Klima und liefern Holz. Und sie sind geschwächt. Um Südbadens Wälder für den Klimawandel zu wappnen und Brandgefahr zu senken, verjüngen Expert·innen den Forst.

„In den Jahren 2018 bis 2020 haben die Wälder gelitten“, betont Yvonne Hengst, Leiterin Arbeitsbereich Risiko- und Krisenmanagement der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA). Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) fiel hierzulande in den Jahren 2020, 2019 und 2018 – das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn – zu wenig Regen. Bis zu einem Viertel weniger als im Vergleich zur Referenzperiode 1961 – 1990. In diesem zeichnet sich bereits das nächste Dürrejahr ab. Zur Trockenheit und einem niedrigen Grundwasserspiegel gesellen sich Schädlinge wie der Borkenkäfer und machen die Wälder weniger widerstandsfähig.

Tobias Mathow, Forstbezirksleiter in Staufen, ist besorgt: „Mit einer derart extremen Entwicklung haben bis vor wenigen Jahren nur die wenigsten gerechnet.“ Sein Kollege Jürgen Bucher hütet seit 22 Jahren die Wälder am Schönberg bei Freiburg. Von den rund 2000 Hektar Wald sei rund die Hälfte durch Trockenheit stark geschädigt: „Die Bäume hier werden lernen, mit weniger Wasser auszukommen. Und wir werden uns an weniger hohe und dünnere Bäume gewöhnen müssen.“

Nicole Schmalfuß

„Gießen ist keine Option“: Freiburgs Forstamtsleiterin Nicole Schmalfuß

Und wahrscheinlich auch an Waldbrände. Im Juli und August brannte es bereits am Kandel, am Schluchsee und bei Schwarzenbach. Am Schauinsland entflammte Gras auf einer Fläche von rund 100 Quadratmetern – ein Großeinsatz der Feuerwehr verhinderte Schlimmeres. Mathow betont: „Die Waldbrandgefahr steigt.“ Trotzdem sind die Wälder um Freiburg zum Redaktionsschluss nicht gesperrt. Laut Rathaussprecher Toni Klein ist das auch nicht geplant. Ein Betretungsverbot sei nicht umsetzbar: „Fast 70 der 153 Quadratkilometer Gemarkungsfläche in Freiburg sind Waldgebiete. Es gibt Hunderte von Zugangswegen und Tausende von Freizeitmöglichkeiten.“ Untersagt ist lediglich Rauchen, offenes Feuer und Grillen.

Die Feuerwehr Freiburg hat zwei Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr zur Taskforce Vegetationsbrand ausgebildet. Zur Verfügung stehen den Brandbekämpfern sechs Löschfahrzeuge mit 3000 und 4000 Litern sowie Standardfahrzeuge mit 1000 bis 2500 Litern Wasser. Luftunterstützung kann beim Land oder der Bundeswehr angefordert werden. Schließlich kommen die großen Löschfahrzeuge abseits der Straßen kaum durch das unwegsame Gelände. Und es ist ein Kampf bergauf: Zwischen der Feuerwache an der Freiburger Eschholzstraße und dem Schauinslandgipfel liegen fast 1000 Höhenmeter.

Was also tun, angesichts ausgetrockneter Wälder? „Gießen ist keine Option“, sagt Freiburgs Forstamtsleiterin Nicole Schmalfuß angesichts 5200 Hektar Stadtwald zwischen Tuniberg und Schauinsland, für den das Amt zuständig ist. Auch dieser Wald ist von drei aufeinanderfolgenden Trockenjahren gezeichnet: „2019 hatten wir mehr als 30 Prozent Schadholz durch Dürre und Borkenkäfer“, so die 49-Jährige. Betroffen sind vor allem Tanne und Fichte. Gerade Fichten – laut FVA rund jeder dritte Baum im Land – sind langer Trockenheit nicht gewachsen.

Bäume

Linden, Eichen und Douglasien: Experten wappnen den Schwarzwald gegen den Klimawandel.

Um Freiburgs Stadtwald gegen Extremwettereignisse und Brände zu stärken, setzt die Försterin auf Naturverjüngung, unterschiedlich dicke sowie alte Bäume und eine Mischung aus verschiedenen, vor allem trockenverträglicheren heimischen Baumarten wie Spitzahorn, Linde und Eiche. „Wenn wir jetzt diese Schritte gehen, werden die Brände beherrschbar sein“, kommentiert Hengst. Auch die Douglasie, ein Nadelbaum, der seine Wurzeln in Nordamerika hat und Hitze vergleichsweise gut verträgt, wird laut Schmalfuß hierzulande mehr Raum bekommen: „Wir verschieben die Baumartenmischung langsam hin zu Trocken- und Wärmeverträglichkeit.“ Einen „Alleskönner“, der dem Klimawandel allein trotzt, gibt es nicht.

Der Waldumbau geschieht nicht über Nacht. „Damit in 70 Jahren ein Baum dort steht, wo er angepasst ist, planen wir Jahrzehnte voraus“, erläutert Schmalfuß. Gewinnt der Wald das Wettrennen gegen den Klimawandel? „Wenn wir bei den klimaschädlichen Emissionen so weitermachen, kann keiner garantieren, dass der Wald das in seiner aktuellen Form 50, 60, 70 Jahre übersteht“, betont Schmalfuß. Die Expertin ist dennoch optimistisch: „Wir haben im Stadtwald gute Voraussetzungen und alle Instrumente, um den Wald zu erhalten und auch heimischen Arten darin einen Lebensraum zu geben.“

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