Freiburg goes crime city: chillisten schreiben sci-fi-Storyboard für einen neuen Krimi STADTGEPLAUDER | 18.11.2020 | Arwen Stock, Philip Thomas

crime city

Netflix, ZDF und Co. haben Freiburg als Krimi-Drehort entdeckt. Doch auch jenseits von Blauer Brücke, Münster, UB und Platz der Alten Synagoge gibt es tolle Locations für Filmproduktionen. Das chilli stellt sechs starke Spots und potenzielle Plots dazu vor.

„Nur Tarnung“

Wasserschlössle

Märchenhaft: die historische Fassade des Wasserschlössles im Sternwald

Das Wasserschlössle im Sternwald sieht märchenhaft aus. Seit 1895 versorgt es den Freiburger Stadtteil Wiehre mit Wasser. Doch historische Fassade und Innenraum könnten auch der perfekte Drehort für einen Krimi sein.

Die Sommernacht ist lau. Der Mond scheint auf Sternwald und Wasserschlössle. Ein Mann und eine Frau küssen sich auf der Wiese vor der eindrucksvollen Fassade. Plötzlich ein Geräusch, als ob eine Tür ins Schloss fällt. Das Paar erschrickt, flüchtet.   

„Na endlich“, hallt es im Inneren des Wasserschlössles. Der Kegel einer Taschenlampe schillert auf der Wasseroberfläche. Der Pegel in den Kammern liegt tief. Nackte Frauenfüße bewegen sich kaum hörbar auf dem Steg zwischen den Kammern, die Stilettos schwingen in der Hand. „Zuerst das Geld“, sagt die junge Frau. Doch der Freier will nicht warten, reißt die Schöne an sich. Sie wehrt sich. Er schlägt sie, so fest, dass die junge Frau mit dem Kopf an die Stegkante knallt und ohnmächtig zu Boden geht. „Du blöde Schlampe“, tobt der Mann. Rasend vor Zorn packt er sie und wirft sie in die  Wasserkammer.

Am nächsten Morgen melden die Sensoren mangelhafte Wasserqualität. Ein Techniker fährt zur Überprüfung zum Wasserschlössle: In einer der Wasserkammern schwimmt die Leiche der jungen Frau. Die weiteren Ermittlungen ergeben, dass sie Studentin war. Von ihrem „Nebenjob“ wusste niemand, auch nicht die Freundin in ihrer WG. Und wie konnte sich der Mörder Zugang zum alarmgesicherten Wasserschlössle verschaffen? Auch die Aufzeichnung der bewegungsaktiven Videoüberwachung weist keine Auffälligkeiten auf. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel. Erst als sich das Paar meldet, das durch das Türgeräusch in seinem Liebesspiel gestört wurde, erhalten die Beamten den entscheidenden Hinweis. Es ist nicht der Bericht über das Geräusch, das weiterhilft, sondern die Fähigkeit der beiden IT-Doktoranden. Sie können die Bilder des manipulierten Überwachungssystems wiederherstellen. Denn die brandneue Software zum Tarnen von digitalen Informationen hatten die beiden mit ihrem Professor erarbeitet.

„Höhenrausch“

Solar Tower

Der Solar-Tower am Hauptbahnhof ist nach dem Münster das zweithöchste Gebäude in Freiburg

Der Solar-Tower am Freiburger Hauptbahnhof ist seit 1997 nicht nur das höchste Solarkraftwerk Süddeutschlands, sondern nach dem Münster auch das zweithöchste Gebäude Freiburgs. Ein exponierter Ort mit fantastischen Perspektiven – auch auf die
Drogenszene.

240 Solarmodule an der Südfassade, 19 Stockwerke hoch: Es ist ein früher Morgen im Sommer, die Sonne geht bereits auf. Zwei Jugendliche klettern die Fassade des Solar-Towers hoch. Der Schnellere macht sich oben mit seinem Jumpsuit bereit, um über die Schienen in den Stühlinger zu gleiten. Da bleibt der andere an der Aufhängung eines Solarmoduls hängen, kann sich nicht befreien. Doch es ist zu spät: Sein Kumpel ist schon zum Flug über die Schienen gestartet. Während der Festhängende verzweifelt um Hilfe ruft, ist für den anderen die Ablenkung während des Fluges folgenschwer. Er stürzt und stirbt. Genauso wie sein Freund, den die Kraft verlässt.

Roofing oder Rooftopping nennt man diese illegalen, brandgefährlichen Kletteraktionen. Während die Kriminalbeamten zunächst von jugendlichem Leichtsinn ausgehen, ergibt die Obduktion der zwei Leichen, dass sie bei der Tat unter starkem Drogeneinfluss standen. Die Substanz im Blut der Toten ist jedoch unbekannt. Bei den weiteren Ermittlungen melden sich Freunde der beiden, die ebenfalls von diesem Drogencocktail probiert haben, und berichten von größenwahnsinnigem Mut. Die Spur führt in die Drogenszene auf dem Stühlinger Kirchplatz und von dort zu einem ominösen Forscher. Bei der Durchsuchung seines Labors stoßen die Beamten auf ein illegales Experiment, das Menschen zu manipulierbaren, übermutigen Kämpfern machen soll. Die beiden jugendlichen Kletterer waren so leichtsinnig, die neue Designer-Droge zu probieren – und wurden dabei zu Versuchskaninchen eines Wahnsinnigen.

„Picassos Tränen“

Restaurant

Ein Hingucker: die bunt leuchtende Bar der Pizzeria Picasso

Dank der RTL2-Show „Die Kochprofis – Einsatz am Herd“ ist die Pizzeria Picasso bereits dreherprobt. Vor gut einem Jahr kam noch die leuchtend neue Cocktail-Bar dazu. Geschäftsführer Baris Demir würde auch für einen Freiburg-Krimi seine Location zur Verfügung stellen. Na dann: Film ab!

Die farbig leuchtende Bar erhellt die dunkle Herbstnacht. Vor der Pizzeria Picasso in der Freiburger Hummelstraße 20 ist es ruhig. Der Verkehr hat nachgelassen. Innen kauft noch ein Gast zwei Cocktails und zwei Pizzen, murmelt leise: „Bitte zum Mitnehmen“. Der Mann ist klein, unscheinbar. Lounge-Musik klingt durch den Gastraum. Draußen ist es still. Der Mann trägt Pizzen und Cocktails Richtung Kronenbrücke. Seine Schritte hallen zwischen den Häusern, vermischen sich mit dem surrenden Geräusch der Straßenbahn, das stadtauswärts verschwindet. Plötzlich sind da vier Hände, zwei greifen nach seinem Hals, zwei nach der Lieferung. Der Mann wehrt sich. In einer weiteren Hand blitzt ein Messer. Dunkelheit.

Drei Tage später sitzt der Picasso-Geschäftsführer morgens mit einem Espresso und der Zeitung in seiner Pizzeria. Gleich auf der ersten Seite sieht er das Gesicht des unscheinbaren Gastes wieder: „Leiche gefunden“ titelt die Presse und „Polizei bittet um Hilfe zur Identifizierung“. Unter der angegebenen Telefonnummer erreicht er die Mordkommission. In der Folge enthüllt sich die Geschichte um einen sehr schüchternen jungen Mann, der zum Studium nach Freiburg kam und blieb – einer heimlichen Liebe wegen.

Die Polizei kann anfangs kaum weitere Kontaktpersonen des jungen Mannes ermitteln, so zurückgezogen und schüchtern hatte er all die Jahre in einem Kellerzimmer nahe der Dreisam gelebt. Dann kommt eine junge Frau in die Pizzeria. Sie kommt dem Geschäftsführer etwas verwirrt vor, stellt komische Fragen. Irgendwie passen weder ihr Alter noch ihr Auftreten zum gepflegten Erscheinungsbild. Der Picasso-Betreiber ruft den zuständigen Kommissar an, verwickelt dann die junge Frau in ein Gespräch.

Später finden die Ermittler heraus, dass der Bruder der heimlichen Liebe des jungen Mannes mit seinen feinen Freunden den Mord geplant hatte – verwöhnt, arrogant und kalt. Für den Bruder war er nicht gut genug für die Tochter aus feinem Hause. Doch die junge Frau weint um den jungen Mann aus einfachen Verhältnissen. Im Picasso bricht sie ihr Schweigen.

„Wie von Geisterhand“

parapsychologische Beratungsstelle

Imposant: die parapsychologische Beratungsstelle in der Freiburger Hildastraße

Sie ist deutschlandweit einzigartig: Die parapsychologische Beratungsstelle in der Freiburger Hildastraße geht Spukphänomenen auf den Grund. Und das Villengebäude in der Wiehre selbst scheint perfekt für einen Grusel-Krimi zu sein.

Eine ältere Frau hetzt durch ihr vornehmes Vorstadthaus, gefolgt von kreischenden Geräuschen, Türen schwingen zu, Möbel fallen um. In Panik flieht sie ins Dachgeschoss. Das Fenster der Dachgaube steht offen: Der Sprung nach draußen soll sie retten. Doch sie stürzt tödlich.

Die Ermittler können sich den Tod der Frau nicht erklären. Auch das Durcheinander wirft Fragen auf. Ein Experte der parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg meldet sich und berichtet, die Frau habe sich wegen der Phänomene bereits an ihn gewandt. Schritt für Schritt entwirren Ermittler und Spukforscher die Hintergründe des ominösen Sturzes, der das gewünschte Ziel eines perfide geplanten Racheaktes war.

„Antrag abgelehnt“

Prüfungsamt

True Crime: Vor dem Prüfungsamt der Uni fürchten sich Studierende mehr als vor jedem Krimi

Das Prüfungsamt der Albert-Ludwigs-Universität ist unter Studierenden berüchtigt. Die Gemeinsame Kommission der Philologischen und der Philosophischen Fakultät hat schließlich unzählige akademische Karrieren auf dem Gewissen. Im Treppenhaus riecht es nicht nur nach Angstschweiß, auch der Geruch von einem 2012 verübten Buttersäureanschlag weht noch durch die Gänge.

Sven steht der Schweiß auf der Stirn. Seine zittrigen Hände versuchen seinen eilig ausgefüllten Antrag auf Wiederholung einer Studienleistung nicht zu zerknittern. Der Medien-Student sitzt in langer Reihe auf der knarzenden Holztreppe im Freiburger Prüfungsamt. Im Kopf geht er seine Darstellung immer wieder durch: „Es tut mir aufrichtig leid, ich habe mich leider für das falsche Modul eingetragen und konnte meine Anmeldung in dem fünftätigen Zeitfenster wegen der Feiertage nicht rückgängig machen.“

Sven kämpft wie ein Löwe, doch gegen die Papiertiger der Gemeinsamen Kommission ist der junge Mann machtlos. Sein Antrag wird mit einem dicken, roten Stempel abgelehnt. Kurz vor seinem Abschluss muss der bisherige „Mozart der Medienkulturwissenschaft“ die Uni verlassen. Er sinnt auf Rache.

Sven nutzt sein Wissen fortan für das Böse, kapert bald Radiostationen, Druckerpressen, Social-Media-Kanäle und stürzt Freiburg mit Fake News und Falschmeldungen ins Chaos.  Wahrheit und Lüge sind nicht zu unterscheiden. Und den Behörden gelingt es nicht, den untergetauchten Ex-Studenten zu stoppen. Denn auch im Polizeifunk läuft seit Tagen nur der Wetterbericht.

„Die Camper“

Camper

Unterwegs zu Hause: Wohnmobile auf dem Stellplatz im Stühlinger

Die Freiburger Wohnungsnot ist akut: Zahlreiche Bürger satteln um, kaufen sich ein Wohnmobil und ziehen auf den großen Stellplatz im Stadtteil Stühlinger. Die Parallelgesellschaft ist dem Rest der Stadt ein Dorn im Auge. Als Bagger für den Bau teurer Penthouse-Wohnungen anrollen, eskaliert die Lage um die Wagenburg.

Ingrid und Werner sind seit zwei Wochen stolze Besitzer eines brandneuen Wohnwagens. Das schicke Teil hat ein kleines Vermögen gekostet, war aber immer noch billiger als drei Monatsmieten in ihrer alten Wiehre-Wohnung. Die beiden gewöhnen sich schnell an das Leben im Wagen. Das wird immer ursprünglicher. Bald wächst Obst und Gemüse zwischen Reifen, Wasser gibt’s aus dem kleinen Bach, der den Stellplatz umspült, und hinter Wänden aus Kunststoff und Holz wird bald Joster gebrannt.

Die Siedlung wird selbstständiger und schließlich autark. Eigenes Ärztehaus, eigene Verwaltung, schließlich herrschen in „Freiburg-Burg“ eigene Gesetze. Während die Spaltung vom Rest der Stadt Ingrid große Sorgen bereitet, wird ihr einst schweigsamer Mann Werner zum Häuptling und spirituellen Anführer der Siedlung.

Gerüchte von Tieropfern und Götzenbildern grassieren in Freiburg. Es kommt zum offenen Konflikt. Als im nahegelegenen Bauamt Planungen laut werden, den Stellplatz mit teuren Wohnungen zu verdichten, stellt sich Ingrid zwischen die Fronten.

Fotos: © iStock/RgStudio, badenova/Jonas Conklin, FWTM/Schoenen, Patrick Hermann, Philip Thomas