Grundstücke to rent – Das Rathaus legt neue Erbbauregeln vor STADTGEPLAUDER | 21.04.2022 | Lars Bargmann

Bild des Geländes Flurstück 277: Auf dem Crash-Gelände steht bald die Verlängerung des Erbpachtvertrags an. Wenn mit Wohnungen, dann auch mit neuen Regeln.

Was im Herbst 2020 fertig sein sollte, stellten Finanzbürgermeister Stefan Breiter und Liegenschaftsamtsleiter Bruno Gramich nun Ende März vor: die neuen Grundsätze für Erbbaurechte im Geschosswohnungsbau. Bei dem Thema den „vermeintlich richtigen Weg zu finden, ist nicht so einfach“, sagte Breiter. Schon die Wortwahl (vermeintlich meint: fälschlich, irrtümlich angenommen) offenbarte, wie schwer die Geburt gewesen sein muss.

Die explodierenden Bodenpreise hatten die jahrzehntelang funktionierenden Erbbauzinsregeln (4 Prozent auf Bodenrichtwert Wohnen, 6 Prozent für Gewerbe) in den Paragrafen für Absurdes geschoben. Wer bezahlbares Wohnen, vor allem für Geringverdienende, predigt, war zum Handeln gezwungen.

Die neuen Grundsätze des Rathauses, die unter anderem Grundstücksspekulanten den Boden entziehen wollen, folgen jetzt dem Slogan: Je länger für möglichst viele Wohnungen die Mieten günstig bleiben, umso weniger Zinsen werden fällig. Bei einem Bodenrichtwert von 1000 Euro würden auf einer beispielgebenden 100-Quadratmeter-Eigentumswohnung bei drei Prozent Erbbauzinsen einmalig knapp 52.000 Euro, über die komplette Laufzeit von 75 Jahren rund 170.000 Euro anfallen. Bei einer geförderten Mietwohnung sind es im Monat bei 1,5 Prozent Zinsen 65 Euro zusätzlich zur Miete (siehe Infobox). Der Mindestzins liegt bei einem Prozent. Es werden insgesamt sechs Fälle unterschieden. 

Am Ende entscheidet der Markt

Die neuen Grundsätze tangieren keine bestehenden, sondern nur zur Verlängerung anstehende Verträge – ein erster Praxistest steht auf dem Flurstück 277 mit dem Crash bald an. Sie werden aber erheblichen Einfluss auf die Neubaugebiete Kleineschholz und Dietenbach ausüben. Am Ende wird der Markt zeigen, wie gefragt sie sind. Denn auch wenn sie im Kern überzeugen: die Krux liegt beim Erbbaurecht an sich.

Es war der 23. Oktober 2018, als der Gemeinderat beschlossen hatte, dass das Rathaus Wohnungsbaugrundstücke nicht mehr verkaufen darf, sondern nur noch verleihen. Am 5. April scheiterten Vorstöße von Freien Wählern, CDU und FDP/BfF im Gemeinderat, zumindest für Baugenossenschaften, Baugruppen, bestandshaltende Wohnungsbaufirmen und Mietshäusersyndikate ein Wahlrecht (Kauf, Leihe) zuzulassen. Genau das hat die Stadt Stuttgart im vergangenen Februar beschlossen. Und zudem einen 20-prozentigen Abschlag auf den Bodenrichtwert. München hat diesen Wert bei 600 Euro gedeckelt.

Zwar seien die neuen Regelungen besser als die alten, aber „unser Rechtsmodell basiert auf dem Kauf von Grundstücken, wir können mit Erbbaurechten nicht in großer Stückzahl bauen“, kommentiert Anja Dziolloß, Vorstandschefin der Familienheim Freiburg. Im Kleineschholz wartet sie aufs Vermarktungskonzept, bis dahin sei das noch eine „Blackbox“. Im Dietenbach würden die Kaufgrundstücke sicher besser und schneller verkauft und bebaut als die Erbbauflächen. Von denen die Stadt rund 400 an den Markt bringen wird. 

„Auch wenn die Erbbauzinsen nun halbiert wurden, sie verteuern die Mieten“, sagt Marc Ullrich, Vorstandsvorsitzender des Bauvereins Breisgau. Die neue Möglichkeit einer Einmalablöse über 75 Jahre sei zwar gut, „aber wenn die 75 Jahre abgelaufen sind, dann gibt es wieder eine neue Ablöse.“ Er hofft, dass das Rathaus die erste Laufzeit auf 100 Jahre verlängert – bei einer gleichen Ablöse wie für 75: „Uns hilft jeder Prozentpunkt bei dem Ziel, dauerhaften preiswerten Wohnraum zu schaffen. Aktuell liegt die Durchschnittsmiete beim BVB bei 7,14 Euro. 

Im vergangenen Jahr hat das Rathaus 5,9 Millionen Euro mit insgesamt 2250 Erbbauwohnungen eingenommen. Etwa 2,5 Millionen entfielen auf 530 Eigentums- und 170 Mietwohnungen. Wie sich diese Zahlen mit den neuen Regelungen bei neuen oder verlängerten Verträgen ändern werden, könne, so heißt es auf chilli-Anfrage, „pauschal nicht beziffert und abgeschätzt werden“. Durch die „wohnungs- und sozialpolitisch begründeten Abschläge“ auf den Erbbauzins würden sich die Erträge insgesamt aber mindern. Für die Erbbaunehmer bleibt zu hoffen, dass sie dies nicht nur vermeintlich tun.

Zinsen und Zahlen

Beispiel 1 
Eigentum in MFH, WE mit 100 m2, Bodenrichtwert 1000 Euro: 115/10.000stel Miteigentumsanteil am Grundstück (4507m2), 3 Prozent Erbbauzins: Erbpacht im ersten Jahr 1555 Euro (danach + 1 %/a).
Einmalablöse: 51.830 Euro (plus Finanzierungskosten).
Erbpacht bei Laufzeit 75 Jahre und 1 % Steigerung/a: 170.745 Euro.

Beispiel 2
Miete in MFH, WE 100 m2, Bodenrichtwert 1000 Euro: 115/10.000stel Anteil am Grundstück (4507m2), geförderter MW-Bau, 1,5 Prozent Erbbauzins = 0,65 Euro/m2 zusätzlich zur Miete.

Beispiel 3
Miete in MFH, WE 100 m2, Bodenrichtwert 1000 Euro: 115/10.000stel Anteil am Grundstück (4507 m2), nicht geförderter MW-Bau: 2 Prozent Erbbauzins = 0,86 Euro/m2 zusätzlich zur Miete.

Foto: © Google-Luftbild/GeoBasis/BKG, André