Mit dem Rad zur Weltklimakonferenz: „Ab Bosnien hören die guten Wege abrupt auf“ Featured | 25.11.2024 | David Pister

Ingwar Perowanowitsch radelt von Freiburg aus nach Aserbaidschan: 14 Länder, 100 Tage, 5000 Kilometer. Auf seiner Reise will der 30-Jährige für das Fahrrad als Verkehrsmittel werben. Im Interview mit chilli-Redakteur David Pister berichtet er, warum er ausgerechnet nach Baku radelt.

chilli: Herr Perowanowitsch, Ende Juli sind Sie am Freiburger Kanonenplatz auf Ihr Rad gestiegen. Sie wollen nach Aserbaidschan radeln. Nur zum Spaß machen Sie das aber nicht …

Perowanowitsch: Das ist eine unglaublich anstrengende Tour. Wenn ich daran keinen Spaß hätte, würde ich es nicht machen, selbst wenn ein politisches Anliegen dahintersteckt. Ich will alles miteinander verbinden: Die politische Message verbreiten, was für ein tolles Verkehrsmittel das Fahrrad ist, aber ich will auch Aufklärungsarbeit von unterwegs leisten.

chilli: Wie meinen Sie das?

Perowanowitsch: Das Fahrrad ist ein unterschätztes Verkehrsmittel. Dabei hat es großes Potenzial. Viele ökologische Probleme in Städten könnte man lösen, würde man auf das Auto verzichten und das Fahrrad nehmen. Auf meiner Reise will ich positive Ansätze aus der Verkehrspolitik zeigen. Ich war zum Beispiel in Ljubljana, wo die Innenstadt komplett autofrei ist.

„Alle wissen, dass es diese Klimakonferenzen gibt. Aber was passiert dort eigentlich?“

chilli: Welches Land hatte bisher die besten Radwege?

Perowanowitsch: Ganz klar das Trio Deutschland, Österreich, Schweiz.

chilli: Wo lauert die schlechteste Infrastruktur für Radler?

Perowanowitsch: Ab Bosnien hören die guten Wege abrupt auf. Da gibt es in den Städten ab und zu Radwege, aber die haben keinerlei Netzfunktion und liegen direkt an der Hauptstraße.

chilli: Sie sind noch 600 Kilometer von Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, entfernt. Warum wollten Sie ausgerechnet dorthin?

Perowanowitsch: Mitte November findet die 29. Weltklimakonferenz in Baku statt. Alle wissen, dass es diese Klimakonferenzen gibt. Aber was passiert dort eigentlich? Sind diese Konferenzen effektiv oder zu einer Greenwashing-Veranstaltung verkommen? Die erste Klimakonferenz fand 1995 statt. Da war ich gerade ein Jahr alt. Das ist schon lange her. Mittlerweile bräuchte es ergänzend neue Formate. Wenn wir schon im Kleinen am Tempolimit scheitern, sollten wir auf der großen Ebene möglichst innovativ sein.

chilli: Was erhoffen Sie sich?

Perowanowitsch: Globale Klimapolitik scheitert daran, dass die Länder einander misstrauen und befürchten, dass die anderen nicht ausreichend handeln. Man darf diese Konferenzen nicht unterschätzen. Im besten Fall kommen Länder zusammen und einigen sich. Ob die Klimakonferenz erfolgreich wird, hängt an den großen Industriestaaten, die vorangehen müssen. Das erhoffe ich mir. Die Konferenz bekommt nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Deswegen thematisiere ich sie in meinen Texten und auf Social Media.

„Globale Klimapolitik scheitert daran, dass die Länder einander misstrauen und befürchten, dass die anderen nicht ausreichend handeln.“

chilli: Dürfen Sie in Aserbaidschan überhaupt einreisen?

Perowanowitsch: Nach meinem ersten Beitrag über meine Reise für die taz bekam ich eine Mail vom Medien-Auslandsbüro von Aserbaidschan. Dort stand, dass sie mir gerne eine Ausnahmegenehmigung erteilen möchten, um auf dem Landweg nach Aserbaidschan einzureisen. Offiziell ist das nicht erlaubt. Wenn ich die Grenze von Georgien nach Aserbaidschan überquere, würden die Beamten Bescheid wissen und mich über die Grenze lassen. Ich hoffe, dass das gutgeht. In einer guten Woche werde ich Gewissheit haben.

chilli: Ende November ist die Weltklimakonferenz vorbei. Sitzen Sie dann wieder im Sattel und fahren zurück?

Perowanowitsch: Nein. Das wäre zu kalt und dunkel. Ich bin schon jetzt am Limit. Ich hatte Schnee und Glatteis die letzten Tage. Wenn es früh dunkel wird, sitze ich zwölf Stunden im Zelt und es ist arschkalt. Keine guten Radfahrbedingungen. Da fahre ich lieber mit dem Zug.

Fotos: © Ingwar Perowanowitsch