Schnee von gestern: Die bange Zukunft des Wintersports im Schwarzwald Featured | 14.12.2024 | Til Neumann & Philip Thomas

Feldberg Dünnes Eis: Wie lange kann der Feldberg noch auf Wintersport setzen?

Investieren und Daumen drücken? Oder umdenken und umbauen? Der Wintersport im Schwarzwald steht aktuell auf dünnem Eis. Studien verheißen nichts Gutes. Am Feldberg kommt wohl der Winter der Entscheidung. Experten, Betroffene und Verantwortliche verbreiten Zuversicht und finden mahnende Worte.

„Ich bin positiv“

Mitte November liegt plötzlich Schnee. So viel, dass Robert Lorenz sein Glück kaum fassen kann. Der Skiliftbetreiber von Hofsgrund am Schauinsland wird schon zwei Tage später seine vier Lifte laufen lassen. „Wir sind gerichtet“, sagt der Landwirt in seiner Wohnung mit Blick auf die eigenen Pisten.

Für ihn ist der Wintersport noch lange nicht auf dem Abstellgleis. „Ich bin positiv“, betont Lorenz. Die Winter seien mal besser, mal schlechter. Aber es lohne sich allemal. Entscheidend sei, schnell zu sein, wenn der Schnee kommt: Wenn andere Skistationen Probleme hätten, dann weil sie „nicht aus dem Quark kommen“.

Guten Mutes: Liftbetreiber Robert Lorenz vom Hofsgrund am Schauinsland – im Hintergrund seine Pisten.

„Kein Drauflegegeschäft“

Seit 1994 betreibt der 61-Jährige die Lifte. In den 30 Jahren hat er es geschafft, neben seinem landwirtschaftlichen Betrieb das Gebiet auf Kurs zu bringen. „Ich mache das als Nebenerwerb und Hobby für den Erhalt der Skilifte.“ Morgens und abends melkt er seine 30 Kühe. Tagsüber kümmert er sich mit dem Sohn um den Skibetrieb.

20.000 bis 30.000 Euro gibt er im Jahr dafür aus, so Lorenz. Und das lohne sich. „30.000 bis 40.000 Euro sind ruckzuck drin.“ Auch mit wenig Schneetagen sei es möglich, wenn beispielsweise das Weihnachtsgeschäft gut läuft. Selbst Corona sei kein „Drauflegegeschäft“ gewesen. Er vermietete die Piste stundenweise für 150 Euro an Familien. Und sei restlos ausgebucht gewesen.

„Umweltsünder hoch 2“

Lorenz setzt auf Nachhaltigkeit: „Wir sind der ökologischste Skilift-Betrieb in ganz Deutschland.“ Es gebe keine Schneekanonen, der Strom komme seit 15 Jahren von Solaranlagen, die Anreise aus Freiburg sei mit dem Bus gut möglich. Was am Feldberg passiert, gefällt ihm nicht. „Umweltsünder hoch 2“, schimpft der Mann mit dem Schnauzer. Von künstlicher Beschneiung hält er nichts.

Auch Umweltmeteorologe Andreas Matzarakis sieht die Entwicklung kritisch. Er befasst sich an der Uni Freiburg mit Klimafolgenforschung – auch mit Bezug auf Wintersport. „Es wird wärmer“, sagt Matzarakis. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) habe gezeigt: Für alle Wintersportgebiete unter 1500 Metern könnte es gefährlich werden. Die Indizien dafür seien „sehr stark“.

„Sowas von holzköpfig“

Fordert Flexibilität: Andreas Matzarakis

Manches Skigebiet hat die vergangenen Jahre nicht überstanden: Der Lift Am Wirbstein in Breitnau wird 2024 nach mehr als 50 Jahren Betrieb aufgegeben. Auch im Luftkurort Friedenweiler wurde der Dorflift stillgelegt. 2023 lief er kein einziges Mal. Zudem hat der Kessellift in St. Georgen im Schwarzwald dieses Jahr geschlossen.

Klimaforscher Matzarakis überrascht das nicht. Die Frage sei, ob es sich lohne, bei sinkender Schneesicherheit noch einen Lift zu betreiben. Selbst Schneekanonen benötigten Minusgrade. Kann man mit 40 bis 50 Schneetagen im Jahr als Skigebiet konkurrenzfähig sein? Matzarakis bezweifelt das. Die Verantwortlichen vom Feldberg kennt er. Er nennt sie „sowas von holzköpfig“.

„Gute Winter, gutes Geld“

Für ihn denkt man dort zu kurzfristig. „50 Schneetage lohnen sich nicht“, betont er. Die Region würde besser fahren, wenn sie sich nach Alternativen umschaue. Er schlägt eine Kombination aus Wintersport, Wandern und Gesundheitstourismus vor. Das Zauberwort für ihn: Flexibilität.

Rund 140 Skilifte und knapp 250 Kilometer Abfahrtspisten liegen zwischen Lörrach und Pforzheim. Im Gebiet Feldberg befinden sich fünf Sesselbahnen, sieben Schlepplifte und 30 Kilometer Piste. Sie gehören dem Liftverbund Feldberg, einem Zusammenschluss der Gemeinden Feldberg, St. Blasien und Todtnau.

Noch Perspektive? Die Prognosen für Lagen unter 1500 Metern wie hier am Schauinsland sind durchwachsen.

„In guten Wintern kann sehr gutes Geld verdient werden, in schlechten Wintern ist der Spielraum ausgesprochen eng“, heißt es aus der Pressestelle der Betreiberfirma Feldbergbahnen GmbH. In der schneereichen Saison 2021/22 (175 Zentimeter) lag ihr Umsatz bei 9,8 Millionen Euro. In der Wintersaison 2023/24 mit insgesamt 133 Zentimetern waren es 3,6 Millionen Euro.

Der Winter der Entscheidung? 

In den vergangenen Jahrzehnten halfen die Gesellschafter der GmbH immer wieder finanziell aus. Zuletzt riss die Corona-Pandemie in der Saison 2020/21 ein Loch von 800.000 Euro in die Kasse. Dieses Jahr unterstützen die Gesellschafter die GmbH mit 1,2 Millionen Euro. Ausgezahlt wird dieser Betrag jedoch nicht direkt. Man wolle sehen, wie sich die Saison 2024/25 entwickle, heißt es aus der Pressestelle.

Die Lage ist angespannt. Einen weiteren schlechten Winter vertrage das Lift-Unternehmen nicht, soll Feldberg-Bürgermeister Johannes Albrecht Medienberichten zufolge gesagt haben. Er wiederholt den Satz jedoch nicht. Dem SWR sagt er dafür: Das Skigebiet Feldberg sei derzeit „nicht resilient“. Es müsse auf einen Ganzjahresbetrieb umgestellt werden, um weiterhin gewinnbringend zu wirtschaften.

„Unkalkulierbar geworden“

Ihre Abhängigkeit vom Wintertourismus möchte die Feldbergbahnen GmbH verringern und „einen Transformationsprozess gestalten“. Ganzjahresangebote können die Winter-Wertschöpfung – laut GmbH zwischen 60 und 80 Millionen Euro – derzeit aber nicht kompensieren. Der Skibetrieb sei der einzige Zweig im kommunalen Tourismusgeschäft, der schwarze Zahlen schreibe.

„Das ist ein schwieriges Thema“, sagt Susanne Hasler, Vorsitzende des Ski-Club Freiburg, über die Zukunft des Wintersports in der Region. Knapp 600 Mitglieder zählt der 1895 gegründete Verein aktuell. „Das ist stark nach unten gegangen, die Winter sind unkalkulierbar geworden“, so die 63-Jährige. Die vergangenen zwei „kalten Jahreszeiten“ seien buchstäblich ins Wasser ­gefallen.

Hütte ohne Wintersportler*innen: An das Bild haben sich viele schon gewöhnt.

„Zweischneidiges Schwert“

Nicht jeder angebotene Ski-Kurs, etwa in Todtnauberg, könne auch stattfinden. Mehr Planungssicherheit bieten Ausflüge in die Alpen. „Das verteuert die Sache aber natürlich“, sagt die Vorsitzende. Und es ist wenig nachhaltig: An- und Abreise sind im Wintersport der größte Teil des CO2-Fußabdrucks.

Der Feldberg ist für Hasler nach wie vor eine Insel des Wintersports: „Dort macht es Sinn, in Beschneiung zu investieren.“ Sie hofft, dass sich die entsprechende Technik noch verbessert. „Natürlich ist das ein zweischneidiges Schwert. Auch das belastet die Umwelt.“ Rund 240.000 Kilowattstunden brauchen die Schneekanonen am 1494 Meter hohen Feldberg pro Jahr, um eine Fläche von 20 Hektar zu beschneien, so der Betreiber. Das entspricht der Menge, die 75 Zweipersonenhaushalte in Deutschland durchschnittlich pro Jahr verbrauchen.

108 Tage Schnee

Robert Lorenz kommt am rund 1110 Meter hohen Hofsgrund ohne Kanonen aus. In den vergangenen Jahren zählte er pro Saison 14 bis 108 Schneetage. Für die Zukunft wünscht er sich „Schnee, Schnee, Schnee”. Aber bitte nicht nonstop. Als die Flocken in den 2010er-Jahren mal 108 Tage am Stück fielen, war er froh, als es vorbei war. Diesen November ging das deutlich schneller: Samstags liefen die Lifte. Sonntags begann der Schnee zu tauen.

Traumhaft: Der Schauinsland im Winter lockt Schneefans aus vielen Teilen der Welt

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