Taktvolle Langstrecken – Florian Jäger läuft durch Berg und Tal – und findet dabei seinen Schreibrhythmus Featured | 09.06.2025 | Erika Weisser

Beim Freiburg-Marathon im April ist Florian Jäger nicht mitgerannt. An Wettläufen gegen die Zeit nimmt er nur noch selten teil. Obwohl er beim München-Marathon 2019 noch Dritter wurde. Inzwischen rennt er „oft einfach los“, manchmal von seiner Haustüre in Herdern aus über den Roßkopf und Hinterzarten bis zum Feldberg und Schluchsee. Und die Gedanken, die ihm dabei durch den Kopf gehen, schreibt er später auf. Sein neues Buch heißt folgerichtig: „Zwischenläufe“.
Seine Läufe führen den als Berater tätigen promovierten Psychologen, der seit drei Jahren in Freiburg lebt, nicht nur in den Schwarzwald oder in die Vogesen. Auch auf seinen beruflichen Reisen hat er immer die Laufschuhe dabei. Und da ist er auch schon mal eben auf den Fujijama gerannt. Oder auf den Kilimandscharo. Seine Läufe führen aber auch auf trubelige Straßen, in stille Wälder, über Stadtrandwiesen oder an Flüssen entlang.
Das von Wettbewerb, Training, Selbstoptimierung und Zeitvorgaben befreite Laufen, erzählt der 37-Jährige, „gibt Raum für das poetische Formulieren der Gedanken“. Nach seiner Überzeugung ist „das Poetische im Laufen angelegt“: Die stete und verdichtete, in sämtlichen „Gangarten“ gleichmäßig rhythmische Bewegung weise in vieler Hinsicht Parallelen zu Metrik und Takt eines poetischen Textes auf. Und in eben dieser „taktvollen“ Bewegung lösten sich Blockaden im Kopf, könnten sich neue Sichtweisen und Erkenntnisse ihren Weg ins Bewusstsein bahnen. Ebenso wie so manche Geschichte, die man unbewusst mit sich herumtrage.
Das Nachdenken, hat er festgestellt, setze automatisch ein – egal, ob er ziellos vagabundiere, entdeckungsfreudig flaniere, zielgerichtet oder auch einfach aus einer Laune heraus losrenne oder „im Slalom um Spazierengehende laufe“. Und dieses Nachdenken „dreht sich nicht um das Laufen, sondern entsteht aus dem Laufen heraus“. Und je nach dem Rhythmus der Bewegung entwickeln sich andere Gedanken, andere Sätze, andere Arten, „die erlebten oder erdachten Dinge in Sprache zu fassen“. Etwa die „außergewöhnlichen Begegnungen, die man unterwegs hat und die oft lange nachhallen“. Oder die während des Laufens durchquerten Landschaften und magischen Momente, die sich wie Bilder in der Erinnerung festsetzten und die er in literarische Bilder umwandelt.
Das eine oder andere Ergebnis seiner nachdenklichen Dauerläufe sind nun in seinem jüngst erschienenen Buch „Zwischenläufe“ nachzulesen. Von der im Untertitel erwähnten „poetischen Wildheit des Laufens“ zeugen 16 Texte, die Jäger aus den Kolumnen ausgewählt und überarbeitet hat, die er seit vier Jahren alle zwei Monate für das Magazin „Laufzeit“ schreibt. Es sind kurze, persönliche Geschichten, in denen er die „Verbindung zwischen Laufen und Leben literarisch ertastet“. Allesamt sind sie sehr inspirierend, nehmen auch Menschen mit, die niemals freiwillig auf einen Berg rennen würden.
Zwischenläufe – Von der poetischen Wildheit des Laufens
von Florian Jäger
Verlag: arete, 2025
176 Seiten, Paperback
Preis: 18 Euro
Foto: © Erika Weisser