Gloria – Aufblühende Blumen Filmstart | 28.08.2024 | Erika Weisser

Drei Mädchen flüstern an einem Tisch

Teresa spricht nicht. Aber sie hört: Begierig nimmt die junge Frau, die in Küche und Hof des Kloster-Waisenhauses Ospedale Sant’Ignazio ein Aschenputtel-Leben fristet, die Geräusche auf, die sie im Alltag umgeben.

Denn in ihrem Kopf, in ihrer Fantasie verdichtet sich alles zu einer ungestümen Sinfonie: das rhythmische Schneiden von Gemüse, das Flattern nasser Wäsche im Wind, das Scharren der Reisigbesen beim Kehren, das Klappern von Geschirr – und die anderen Laute, die ihre Arbeit ausmachen. 

Sie erlebt die Welt, die Wirklichkeit als Melodie, als Phythmus. Und es gelingt ihr, die Realität für sich so zu verändern, dass sie es darin aushält. Zumal sich zur Alltagssinfonie Kinderstimmen und weitere liebliche Töne gesellen: Aus dem Musiksaal dringt Vivaldis „Gloria in Excelsis Deo!“, mit engelsgleichen Chorstimmen, Violinen und Bratschen.

Hier unterrichtet Klostervorsteher Padre Perlina besonders talentierte, fast erwachsene Waisenmädchen im Instrumentenspiel und Singen – freilich nur für den kirchenmusikalischen Gebrauch bei öffentlichen Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen. Derzeit bereitet er sie zudem auf das Konzert vor, das sie anlässlich des Besuchs des frisch geweihten Papstes geben sollen. Und für das Perlina so verzweifelt wie vergeblich ein Oratorium zu komponieren versucht.

Dass Teresa ebenso talentiert ist wie die Musikschülerinnen, bemerkt nur der alte Romeo, der für die Erziehung der Kinder zuständig ist. Und außer Perlina weiß niemand, dass sie sehr wohl sprechen kann, dass sie bei ihrem Eintritt in das Ospedale von dessen spendenfreudigstem Gönner jedoch zu striktem Schweigen verpflichtet wurde. Und so wacht der Abt streng über sie: Als sie sich der von ihm geplanten Zwangsverheiratung mit einem kinderreichen und offenbar recht spendablen Witwer widersetzt, sperrt er sie kurzerhand in eine Kammer.

Dort entdeckt sie ein ihr völlig unbekanntes Instrument: ein Pianoforte. Sie probiert es aus, taucht in die Magie der selbsterzeugten Töne und bringt sich in den folgenden Nächten in heimlichen Übungsstunden selbst bei, es zu spielen. Dabei wird sie von den anderen Musikerinnen überrascht, doch nicht verraten: Nach ziemlich zickigen und feindseligen Reaktionen seitens der ersten Geigerin Lucia entsteht eine Komplizenschaft und schließlich Freundschaft. Teresa und Lucia, die Noten lesen und komponieren kann, spielen Musikstücke, durch die ein neuer, feministischer Sound zieht, der in die Zukunft weist: Bluesig, jazzig, poppig ist er – und macht Lust zum Mitmachen.

Mit ihrem trotz angedeuteter Gewalt sehr heiteren und zuversichtlichen Film setzt die Musikerin Margherita Vicario allen Frauen ein Denkmal, die als Komponistinnen Musikgeschichte schrieben, wegen der bis heute in diesem Bereich herrschenden Männerdomäne jedoch „wie gepresste Blumen zwischen den Seiten dieser Geschichte verborgen sind“.

Gloria Filmplakat

Gloria!

Italien 2024
Regie: Margherita Vicario
Mit: Galatea Bellugi, Carlotta Gamba, Paolo Rossi, Veronica Lucchesi u.a.
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 106 Minuten
Start: 29. August 2024
Premiäre: 26.08., 21 Uhr, Sommernachtskino im Schwarzen Kloster

Fotos: © Neue Visionen