Wenn das Ende naht – Angelina Jolie glänzt in der facettenreichen Rolle der Operndiva Maria Callas Filmstart | 06.02.2025 | Erika Weisser

Maria

In die erste Szene wird ein knapper Text eingeblendet: Paris, 16. September 1977. In einem riesigen, luxuriös eingerichteten Salon stehen wenige Menschen, die nur gedämpft miteinander sprechen und betroffen zu Boden schauen. Dort, diskret unter einer Decke und hinter einem ausladenden Möbelstück verborgen, liegt jemand. Eine Bahre wird hereingebracht. Sie bestätigt, was die Zuschauer im Kinosaal bereits ahnten: Dieser jemand lebt nicht mehr. Es erklingt Verdis Ave Maria, gesungen von Maria Callas.

Der im Film eben verstorbene Mensch ist Maria Callas. Und sie wird, wie Regisseur Pablo Larraín mit dieser kurzen Szene suggeriert, selbst im Tod noch beobachtet. So wie während fast ihres ganzen Lebens, das mit 53 Jahren endete. Die letzte Woche dieses Lebens wird im Film beleuchtet – das einsame Leben einer launischen und verletzlichen ehemaligen Diva, der nichts geblieben ist als zwei Hausangestellte, die aber immer noch gefallen und angebetet werden und ihre einst vollkommene Stimme wiedererlangen will. Einer Frau, die die Gegenwart nur mithilfe von Medikamenten bewältigt – und mit Fluchten in die Vergangenheit: Während ihrer Gesangsetüden oder beim Interview mit einem (nur in ihrer Fantasie existierenden?) Reporter werden über oft schwarz-weiß gedrehte Rückblenden die umjubelten Auftritte in den großen, wie für sie geschriebenen Opern in den großen Häusern Europas vergegenwärtigt. Natürlich mit Originalaufnahmen ihrer Rollen: Bellinis Norma, Puccinis Tosca und Cherubinis Medea.

Die Retrospektiven zeigen aber auch die Anfänge ihrer Karriere. Etwa, als die damalige Gesangsschülerin in den 1940er-Jahren auf Geheiß der strengen Mutter für Nazi-Besatzungssoldaten in Griechenland singt. Und sie streifen zudem ihre oft tragischen Lieben und die damit verbundenen Demütigungen. Durch die fließende Verbindung schöner, aber auch schmerzhafter Erinnerung mit der schwierig zu lebenden Gegenwart gelingt es Larraín – und der ganz exzellent spielenden Angelina Jolie – ein facettenreiches und möglicherweise authentisches Porträt der Frau zu zeichnen, die zu den größten Opernsängerinnen der letzten 100 Jahre zählt.

Sie zeichnen das Bild einer Persönlichkeit, die hinter der schillernden, ex­travaganten Fassade verborgen ist, mit der sie sich selbst an ihren letzten Tagen noch umgibt.  Die sich aber dennoch immer stärker zeigt: Eine extrem disziplinierte Künstlerin, die ihr ganzes Leben ihrer perfekten Stimme, ihrem Streben nach Vollkommenheit unterordnet. Eine Frau, die deshalb aber auch gespalten ist zwischen ihrem glamourösen Stardasein als „die Callas“ und ihrem einfachen Menschsein als Maria, die „lange vor der anderen da war“. 

Maria
USA, Chile, Italien 2024
Regie: Pablo Larraín
Mit: Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba Rohrbacher, Valeria Golino, Haluk Bilginer u.a.
Verleih: StudioCanal
Laufzeit: 123 Minuten
Start: 6. Februar 2025

Fotos: © StudioCanal