Das gelbe Heft der Kindergesundheit – Die U-Untersuchungen helfen von Anfang an Bauch & Baby | 24.04.2020 | Arwen Stock

Ärztin untersucht Kind

Dieses gelbe Büchlein dokumentiert erstmals eigenständig die Gesundheit des Kindes. Doch das U-Untersuchungsheft ist viel mehr als eine Erinnerung und Erfassung von Maßen und Werten. Die Untersuchungen helfen, frühzeitig Auffälligkeiten zu entdecken und gegensteuern zu können.

Viele Mütter sind darauf fast so stolz wie auf den Mutterpass: das gelbe U-Untersuchungsheft ihres Kindes. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss gratuliert als Herausgeber gleich auf der ersten Seite: „Liebe Eltern, herzlichen Glückwunsch zur Geburt ihres Babys!“ Das Heft dient der Information und Dokumentation der Untersuchungen, die in bestimmten Intervallen bis zum sechsten Lebensjahr stattfinden.

„Diese Untersuchungen gibt es schon deutlich länger, als ich praktiziere“, berichtet Alexander Wiedensohler. Der 49-jährige Kinderarzt arbeitet in Gundelfingen in der Gemeinschaftspraxis mit seiner Frau und Berufskollegin Maria Haller und mehreren angestellten Ärztinnen und Ärzten zusammen. Er ist Neo­natologe, Frühgeborenenmediziner, seine Frau auf das seltene Gebiet der Kinderrheumatologie spezialisiert. Ihre Praxis hat eine Zweigstelle in Breisach. Wiedensohler ergänzt: „Vor einigen Jahren wurden jedoch die Untersuchungsvorgaben neu definiert.“

Die nun klar aufgelisteten Pflichtuntersuchungen im jeweiligen Alter beginnen mit der U1 direkt nach der Geburt: Geprüft wird mit dem sogenannten Apgar-Wert die Hautfarbe des Babys, der Herzschlag, die Reflexe, die Muskelspannung und die Atmung. Dieser Wert wird nach fünf und nochmals nach zehn Minuten ermittelt. Der pH-Wert des Nabelschnurblutes gibt Auskunft, ob das Neugeborene während der Geburt ausreichend mit Sauerstoff versorgt war. Zudem wird das Baby gemessen, gewogen und es wird nach äußerlich erkennbaren Fehlbildungen geschaut. Nach Rücksprache mit den Eltern gibt es Vitamin K, um inneren Blutungen vorzubeugen. Weitere spezielle Früherkennungsuntersuchungen wie das Pulsoxymetrie- oder das Hörscreening werden in den Tagen nach der Geburt durchgeführt.

„Am Anfang sind die Untersuchungen sehr häufig, damit man angeborene Auffälligkeiten früh entdecken kann“, berichtet Kinderarzt Wiedensohler. Und so findet die U2 auch bereits zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag des Babys statt. Der Körper und das Herz werden untersucht. So können lebensbedrohliche Komplikationen wie eine Gelbsucht vermieden werden. Auch bei dieser und allen weiteren Untersuchungen wird das Baby gemessen und gewogen. Das Baby erhält nochmals Vitamin K. Außerdem klärt der Kinderarzt die Eltern über die Gabe von Vitamin D zur Vorbeugung der Knochenerkrankung Rachitis und über Fluorid auf, das für die spätere Zahnhärtung wichtig ist.

Nach jeder Untersuchung trägt der Arzt die Ergebnisse in das gelbe Heft ein. Hinten im Heft sind die Perzentillenkurven für Körperlänge und Gewicht für Mädchen und Jungen und weitere Entwicklungskurven abgedruckt, in die man die Werte bis zum Alter von zwei Jahren eintragen kann. So kann die Hebamme und können die Eltern auch selbst regelmäßig das Baby wiegen und messen, die Werte eintragen und den Verlauf nachvollziehen. Vor allem in den ersten Lebensmonaten kann das eine große Hilfestellung sein, um beispielsweise bei Gewichtsstagnation schnell reagieren zu können.

Für Eltern am spannendsten: die U3

Während die ersten beiden Untersuchungen in der Regel im Krankenhaus erfolgen, findet die U3 zwischen der vierten und fünften Lebenswoche erstmals beim niedergelassenen Kinderarzt statt. „Für die Eltern ist die U3 meist die spannendste Untersuchung, weil sie dann den Kinderarzt ihres Babys kennenlernen, Impfungen erklärt bekommen, viele Fragen stellen können und die Ultraschalluntersuchung der Hüfte erfolgt“, berichtet Wiedensohler. Damit sich die Säuglinge sowie chronisch kranke Kinder nicht im Wartezimmer bei den Älteren anstecken, werden die Kleinen direkt ins Zimmer geleitet oder dürfen in einem separaten Bereich warten.

Der Arzt untersucht bei der U3 gründlich den Körper des Babys. Und er prüft beispielsweise, ob es schon in Bauchlage den Kopf halten kann, die Hände spontan öffnet oder aufmerksam in nahe Gesichter schaut. Er fragt die Eltern, ob es Auffälligkeiten beim Schlafen, Trinken, bei der Verdauung oder im sonstigen Verhalten des Babys gibt. Die Gabe von Vitamin D sowie Fluorid wird fürs gesamte erste Lebensjahr empfohlen. Und wie schon bei der U2 werden die Eltern zum Thema Stillen und Ernährung beraten sowie über Maßnahmen informiert, die das Risiko eines plötzlichen Kindstodes mindern. Auf Wunsch der Eltern kann mit sechs Wochen bereits die erste Impfung erfolgen.

Dann steht die U4 an, die zwischen dem vierten und fünften Lebensmonat erfolgt: Der Arzt prüft die altersgerechte Entwicklung von Körper und Geist, wie sich das Baby bewegt und ob es hören und sehen kann. Bei der körperlichen Untersuchung wird auch kontrolliert, ob die Knochenlücke am Kopf (Fontanelle) ausreichend groß ist, damit der Schädel weiterhin problemlos wachsen kann. Impfungen oder Wiederholungen werden angeboten. Spätestens jetzt spricht der Arzt mit den Eltern über Themen wie Beikost, die Ernährung und Verdauung des Babys, Maßnahmen zur Vermeidung des plötzlichen Kindstodes, Unfallverhütung und wie man reagieren sollte, wenn das Baby besonders viel schreit und nicht schlafen kann. Weitere Themen sind die Förderung der Sprachentwicklung durch häufiges Sprechen und Singen mit dem Baby.

Noch sind die Untersuchungen engmaschig, auch wenn das Baby zunehmend mehr kann und auch schon Brei isst: Die U5 findet zwischen dem sechsten und siebten Lebensmonat des Babys statt und umfasst neben körperlicher Untersuchung und Beratung auch Infos zur kindlichen Mundhygiene. Sehr wichtig wird nun die Unfallverhütung. Außerdem rückt die Sprachentwicklung ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit bestimmten Tests werden die Augen untersucht. Der Arzt beobachtet, wie beweglich das Baby ist und wie es seinen Körper beherrscht.

U6: Schon fast raus aus dem Babyalter

Robben, krabbeln, hochziehen und vielleicht sogar schon laufen: Wenn die U6 ansteht, ist das Kind mit zehn bis zwölf Monaten fast schon dem Babyalter entwachsen. Das zeigt sich auch darin, dass es schon aus einem Becher trinken, Doppelsilben bilden und den Eltern auf Wunsch etwas geben kann. Bei der Untersuchung achtet der Arzt besonders auf Entwicklungsauffälligkeiten, beobachtet Beweglichkeit und Körperbeherrschung des Kindes und berät zu verschiedenen Themen. Zudem werden die Augen untersucht.

„Die U7 mit zwei Jahren ist die problematischste Untersuchung für das Kind, denn in diesem Alter ist die Fixierung auf Mama und Papa besonders groß“, weiß Wiedensohler. Kita-Kinder seien deutlich aufgeschlossener. Außerdem würden manche Kinder dem Arzt den Pieks der bis dato erfolgten Impfungen nachtragen. Wiedensohlers Tipp für die U7 ist: Die Untersuchung positiv darstellen, den Termin gut, also nicht zu spät abends planen und Bilderbücher zur Vorbereitung vorlesen.

Mit der U7a findet im Alter von rund drei Jahren noch mal eine gründliche Untersuchung und Beratung zu den bereits bekannten Themen statt. Der Arzt geht dabei auch besonders auf die Sprachentwicklung ein und spricht mit den Eltern über Medien wie Fernsehen, Computerspiele, Internet und Ähnliches.

Im Alter von fast vier Jahren steht dann die U8 an: Die meisten Kinder können sich schon selbst an- und ausziehen, gut sprechen, vielleicht kleine Geschichten erzählen und stellen viele Fragen. Der Arzt achtet wieder besonders auf Entwicklungsauffälligkeiten, untersucht das Kind körperlich und macht Sehtests. Das Hörvermögen wird ebenfalls geprüft, genauso wie die Beschaffenheit der Zähne und die Entwicklung des Kiefers. Die Eltern werden gefragt, ob sich das Kind alleine beschäftigen kann und wie sich das Kind beim Spielen, in der Familie oder in einer Gruppe von Kindern, verhält.

U9: Die Einschulung steht bevor

„Die U9 ist auch besonders spannend für die Eltern, denn da wird geprüft, ob alles klargeht für die Einschulung“, findet Kinderarzt Wiedensohler. Neben der körperlichen Untersuchung testet der Arzt, wie beweglich und geschickt das Kind ist und wie gut es spricht. Sollte das Kind noch nicht alle Laute fehlerfrei aussprechen, sollten Eltern den Arzt bitten, darauf besonders zu achten und sie zu beraten. Für die Schulreife ist bei der Untersuchung zudem wichtig, woran das Kind Interesse und Freude hat oder wovor es sich möglicherweise ängstigt.

„Alle diese Untersuchungen sind sehr wichtig, weil man viele Probleme bereits früh erkennen und gegensteuern kann“, betont Wiedensohler. Bei Neugeborenen sind das angeborene Erkrankungen wie beispielsweise des Stoffwechsels, die sich erst später manifestieren. Bei größeren Kindern sind das Aufmerksamkeitsprobleme, im Alter von vier bis fünf Jahren dann Störungen der Fein- und Grobmotorik sowie der Sprachentwicklung. Seit 2018 sind die Kontrolltermine verpflichtend. In Baden-Württemberg wird das zwar nicht kontrolliert, beim Umzug in ein anderes Bundesland wird der Nachweis teilweise verlangt. 

Wiedensohlers genereller Tipp für Eltern ist: Mit dem Kind über den Arztbesuch sprechen und diese Treffen dazu nutzen, sich gut über die Gesundheit ihres Nachwuchses zu informieren.

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