Romantik pur im wilden Tal: Durchs Löffeltal und die Ravennaschlucht Freizeit in der Regio | 30.10.2020 | Hans-Jürgen Truöl

Wanderweg über Holzbrücke und Bach Die Rundwanderung führt über hölzerne Stege.

Ravennaschlucht – bereits der Name klingt geheimnisvoll. Die spektakuläre Rundwanderung gehört zu den Schwarzwald-Klassikern und begeistert mit mystischen Landschaften, Wasserfällen, Farnen, bemoosten Felsen und historischen Mühlen auch Kinder.

Wer für die Anfahrt den Zug benutzt, der steigt aus Richtung Freiburg, Neustadt oder Donaueschingen in die Höllentalbahn und verlässt sie am Bahnhof Hinterzarten. Da weckt bereits bei der Anreise der Blick aus dem Zugfenster die Vorfreude auf Landschaftserlebnisse. Autofahrer können ebenfalls am Bahnhof Hinterzarten parken. Die Wanderschuhe sind geschnürt, im Rucksack befinden sich Regenjacke, einige Müsliriegel und eine Wasserflasche. Wanderstöcke können sinnvoll und hilfreich sein. Auf geht’s!

Ravennaschlucht Wasserfall

Am Bahnhof halten wir uns rechts und gelangen durch die Freiburger Straße zum Hotel Silberdistel. Kurz davor zweigt der Löffeltalweg nach links ab, der an der nächsten Straßenkreuzung rechts abbiegt, das Markierungssymbol ist ein Mühlenrad. Nun endet die Bebauung, wir atmen im lichten Wald Natur. Der Löffeltalweg ist bequem zu begehen, neben uns murmelt der Rotbach. Sein Wasser trieb einst die Klopfsäge und die Hochgangsäge an. Dank des rührigen Vereins „Heimatpfad Hochschwarzwald“ stehen sie bis heute als denkmalgeschützte Beispiele für Tüftlergeist und handwerkliche Meisterschaft. Bald bringt uns ein ständiges Rauschen in die Moderne zurück: Pkws und Lkws strömen unaufhörlich auf der B 31, die Freiburg mit dem Schwarzwald und der Baar verbindet.

Berühmte Braut auf Fahrt

Durch eine Unterführung gelangen wir auf die andere Straßenseite zu den Parkplätzen beim „Hofgut Sternen“. Dieser Hotspot liegt wie die gesamte Ravennaschlucht auf Breitnauer Gemarkung. Zwar lässt die 1148 gegründete St. Oswald-Kapelle vermuten, dass es seit Jahrhunderten einen Pfad durchs Höllental gegeben hat, doch für Pferdefuhrwerke blieb dieses unwegsame Waldgebirge unpassierbar. Das „Wirtshaus unter der Steig“ diente als Rastplatz und Herberge auf dem gefährlichen Weg. Erst 1755 wurde die Falkensteige, wie das Höllental damals hieß, zu einem Güter- und Postweg ausgebaut, das „Hofgut Sternen“ entstand. Dessen Wirt Adolf Faller begann 1875 mit der mühsamen Erschließung der Ravennaschlucht. Deren Bekanntheitsgrad und die des Höllentals stieg schlagartig mit einer Brautfahrt. Die damals erst 14-jährige Marie-Antoinette, Tochter der Habsburger Kaiserin Maria Theresia, machte 1770 mit ihrem gesamten Tross Station am Gasthaus im wilden Tal. Sie war unterwegs vom Höllental ins Himmelreich, also nach Versailles zur Hochzeit mit dem französischen König Louis XVI. Ihr Brautzug bestand aus 21 Karossen, 36 Wagen und 450 Pferden – Ausdruck feudaler Prachtentfaltung. Ein Jahrzehnt später übernachtete Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe im „Sternen“ – das Goethehaus mit seinen stilvollen Hotelzimmern hält die Erinnerung an den prominenten Gast wach. Zu ihnen zählte auch Felix Mendelssohn-Bartholdy. Heutzutage ziehen vor der Kulisse des imposanten Ravenna-Viadukts Hotel, Glasmanufaktur, Souvenirgeschäfte und Restaurants Scharen von Besuchern an.

Ravennaschlucht mit Zug

26 Meter hoch ist der Viadukt.

Über uns spannt sich eine aufsehenerregende Eisenbahnbrücke, ein 36 Meter hohes technisches Meisterwerk mit neun Bögen aus Natursteinen. Erbaut wurde der Ravennaviadukt 1926 – er dürfte wohl zu den meistfotografierten Motiven des Schwarzwaldes gehören. Wir gehen unter ihm hindurch, und wenige Meter weiter umfängt uns reine Natur. Wir beginnen mit dem Aufstieg. Woher kommt eigentlich der italienisch klingende Name Ravennaschlucht? Eine Erklärung lautet, dass ihr Name vom französischen „Ravin“ (Schlucht) abgeleitet ist. Nach einer anderen Ansicht wurde der Rabenbach im Laufe der Zeit zum Ravennabach. Weitere Heimatforscher vermuten ein galloromanisches Reliktwort aus der Zeit, als die Kelten am Oberrhein unter römischer Herrschaft lebten. Der Namensursprung bleibt also ungeklärt, doch völlig klar ist: die Ravennaschlucht stellt ein Naturschauspiel allererster Güte dar! Der steinige Wanderweg, Markierung: gelbe Raute, führt an einem Fischteich vorbei, über Holzbrücken wechseln wir die Uferseiten – herrliche Blicke auf den plätschernden Ravennabach und das Schutzdach der Bäume inklusive. Besonders malerisch wirken die Kaskaden: der Große Ravennafall mit 16 Metern Fallhöhe und sein kleinerer Bruder mit 6 Metern Fallhöhe. Hölzerne Stege und eiserne Treppen führen entlang des Ufers steil aufwärts, Geländer an den Felsgalerien geben Halt. Kaum zu glauben, dass der Wanderweg teilweise nur wenige Meter neben der Hauptverkehrsader B 31 verläuft, optisch und akustisch getrennt durch den Kreuzfelsen.

Wasserkraft anno 1770

Nach etwa 30 Minuten mündet der abenteuerliche Pfad in einen Wanderweg, der die Mittlere Ravenna begleitet. Hier, inmitten der Wildnis, errichtete der Breitnauer Mathäus Feser im Jahre 1770 eine von Wasserkraft angetriebene Löffelschmiede. Von seinen Nachkommen wurde sie bis 1885 betrieben. Zwei Jahre zuvor entstand am oberen Ende der Schlucht die Großjockenmühle, heute ein Kulturdenkmal und schöner Rastplatz. Zu sehen ist, dass das Wasser über einen hölzernen Zulauf teilweise durchs Dach aufs Mühlrad geleitet wurde – Schwarzwälder waren und sind erfinderisch!

Ravennaschlucht Großjockenmühle

Die Großjockenmühle ist ein schöner Rastplatz.

Nun sind es nur noch wenige Schritte bis zu einer Lichtung. Vorbei am Gasthaus Ketterer, das wegen Corona seinen Betrieb eingestellt und nur noch zwei Getränkeautomaten aufgestellt hat, halten wir uns an der nächsten Wegkreuzung rechts und gehen gemütlich am Naturschutzgebiet Hirschenmoor vorbei nach Hinterzarten. Durch eine Unterführung kurz vor der Tankstelle unterqueren wir die B 31 und gehen durchs weitläufige Gelände der ganzheitlich ausgerichteten Schule Birklehof mit ihrem Internat. Anschließend führt der Weg parallel zur Höllentalbahn in den Höhenluftkurort hinein und über die Freiburger Straße zum Bahnhof. Vor der Heimfahrt können wir uns in diversen Cafés und Restaurants versichern: So ein Wandertag, so wunderschön wie heute, so ein Wandertag, der sollte nie vergeh’n!

Info

Strecke: 7,5 km
Aufstieg: 175 Meter
Abstieg: 175 Meter
Dauer: 2 bis 2 ½ Stunden

 

Hofgut Sternen

Zwei Restaurants laden im Hofgut am Ravennaviadukt zum Vespern ein: Die Schwarzwaldstube (tägl. 12–21 Uhr) und das Buffet-Restaurant Marktscheune (täglich 7–17 Uhr).

Der beliebte Weihnachtsmarkt am Hofgut Sternen findet in diesem Jahr unter Corona-Bedingungen vom 26. November bis 20. Dezember jeweils donnerstags bis sonntags statt. Der Blick auf den beleuchteten Ravennaviadukt, unter dem die geschmückten Holzbuden mit ihrem weihnachtlichen Angebot Geborgenheit zu suchen scheinen, erwärmt die Herzen aller Betrachter.

Ravennaschlucht Hofgut Sternen

Info

Höllsteig 76
79874 Breitnau/Hinterzarten
Tel.: 0 76 52/90 10
www.hofgut-sternen.de

 

Fotos: © iStock/SchmitzOlaf, Hans-Dieter Ziesmer, Hans-Jürgen Truöl