Freiburg plant den Biergipfel: Craftbeer-Hauptstadt des Landes will einen draufsetzen Freiburg geht aus | 02.02.2019 | Till Neumann

Die Bierbranche hat zu kämpfen: Deutschlandweit ist der Konsum rückläufig. Auch in Baden-Württemberg sank der Absatz 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent. Doch Freiburg gleicht dem gallischen Dorf: Lokale Brauer melden Erfolge – und in Sachen Craftbeer ist die Stadt landesweit spitze. 2020 soll das erste Freiburger Bierfest steigen.

Pro Kopf hat Freiburg in Baden-Württemberg die meisten Craftbeer-Brauer, berichtet David Schneider von Decker Bier. Der 35-jährige Geschäftsführer des Brauer-Netzwerks ist überzeugt: Freiburg ist Craftbeer-Hauptstadt des Landes. Das wisse man nicht nur im Breisgau, sondern auch in Stuttgart, Karlsruhe oder Berlin. Schließlich kenne man sich in der Szene. Acht Craftbeer-Projekte zählt er in Freiburg. Die Qualität sei hoch.

Immer wieder tauscht man sich untereinander aus und schmiedet Pläne, berichtet Schneider. So sei man mit dem Braukollektiv einst auf die Idee gekommen, das „Craftival“ zu veranstalten. Seit 2015 steigt das Freiburger Fest rund um Craftbeer. Bei der 4. Auflage im Juni 2018 waren mehr als 60 Biersorten geboten.

Craftbeer vom Braukollektiv

Auch bei der Freiburger Genussmesse Plaza Culinaria gibt es mittlerweile eine Craftbeer-Area. Doch damit nicht genug: „Wir haben uns gefragt, warum es in Freiburg ein Weinfest gibt, aber kein Bierfest“, erzählt Schneider. „Krass“ sei das. Also laufen nun mit vielen weiteren Bierakteuren die Planungen für ein Freiburger Bierfest. Auch die großen Brauer der Region sollen dabei mitmischen.

Schneider könnte sich eine Bierfest-Premiere für 2020 vorstellen. Dann feiert Freiburg 900. Geburtstag. Zwei, drei oder vier Tage könnten die Feierlichkeiten gehen. Nach chilli-Informationen ist ein gemeinsamer Auftritt mit dem Street Food Market an der Messe im Gespräch.

Auch Andrea Seeger ist von der Idee angetan. Die Betreiberin der Craftbeer Lodge beim Schwabentor ist Biersommelière. In ihrem Laden bietet sie rund 500 Sorten zum Verkauf an. Darüber hinaus gibt’s Tastings und eine ausführliche Beratung. „Wir haben in Freiburg eine etablierte Genusskultur“, sagt Seeger. Dazu will sie mit den vielen Aromen der Craftbeer-Spezialitäten beitragen. „Eine neue Genussdimension“ eröffnen diese, ist sie überzeugt.

Andrea Seeger in der „Craftbeer Lodge“

Um das Bierfest zu organisieren, schlägt sie vor, einen Verein zu gründen. Er soll die einzelnen Player zusammenbringen und Kräfte bündeln. Eine Idee hat sie bereits: Gerne würde Seeger die Freiburger Geschichte des Bierbrauens aufarbeiten und beim Bierfest zugänglich machen.

Sie ist überzeugt, dass es sich lohnt, für ein Bier auch mal ein paar Euro mehr hinzulegen. „Ich warne die Teilnehmer meiner Tastings: Wenn sie bei mir probiert haben, schmeckt das Bier im Supermarkt irgendwann nicht mehr“, sagt sie und lacht. Ihre Kunden bestätigen ihr: Das kommt durchaus vor.

Ein weiterer Freiburger Hotspot ist die Bierhandlung im Stühlinger. Der belgische Biercrack Thomas de Ridder bietet dort rund 250 Sorten an. Neben ausgewählten belgischen Bieren auch viele internationale und regionale Kreationen. „Die Beratung ist wichtig“, sagt de Ridder, der gerade einem Kunden geholfen hat, der ein Bier mit Gin und Wiesenkräutern sucht.

Bier hat zuletzt an Sex-Appeal verloren, weiß de Ridder. „Aber das wird wieder“, ist er überzeugt. Es gebe wahnsinnig viele gute Kreationen in der Region. Wichtig sei, dem Kunden Transparenz und Glaubwürdigkeit zu bieten. Auch er begrüßt die Idee eines Bierfests – und die Gründung eines Vereins. Sein Slogan: „Learning by Drinking“. Nur wer probiere, erkenne den Unterschied. Samstag gibt’s bei ihm im Laden neben dem Verkauf auch „Open Bottles“, also Biere zum Probieren.

Thomas de Ridder von der „Bierhandlung“

Auch das Freiburger Braukollektiv unterstützt die Bierfest-Planungen: „Freiburg ist in den letzten fünf Jahren durch die Gründungen vieler Kleinbrauereien zu einem Geheimtipp für Freunde der Kreativbiere geworden“, sagt Bernhard Frenzel vom Braukollektiv. Die ungewöhnlichen Rezepturen seien auch für passionierte Weintrinker ein Erlebnis. Die Einbindung der traditionellen Brauereien aus Freiburg und Umgebung biete die Chance, gemeinsam das Kulturgut Bier zu präsentieren.

Um diese den Kunden nahezubringen, mischen auch die großen Brauer der Region fleißig mit: Die Brauerei Ganter bietet von Schauspielern geleitete Führungen durch ihre Anlagen an. „In einem virtuellen Gärtank stehen sie sozusagen mitten im Gärprozess und können miterleben, wie aus Wasser, Malz und Hopfen bei Zugabe von Hefe Bier entsteht“, heißt es bei Ganter. Auch eine humorvolle Führung zu gesundheitlichen Aspekten des Biers wird angeboten, genau wie Verkostungen und im „Hopfen-Schopf“ einen Team-Wettstreit rund ums Bier.

Die Waldhaus-Brauer

Die Brauerei Fürstenberg mit Sitz in Donaueschingen bringt bei Brauwerk-Seminaren mit Braumeistern die „Faszination Bierbrauen“ näher. Es gibt zudem ganztätige Braukurse, Führungen und Events. „Mit unseren Angeboten für Bierliebhaber, wie den beliebten Braukursen, vermitteln wir einmalige Einblicke in das traditionsreiche Brauhandwerk, für das die Leidenschaft des Brauers unabdingbar ist“, sagt Moritz Hamilton, Leiter des Brauwerks.

Auch die Brauer von Waldhaus, das überdurchschnittlich wächst, bieten ihren Kunden einiges: Auf dem Programm stehen Besichtigungen, Events und Craftbeer. Zu Weihnachten präsentieren sie als „Selektionsbier“ das India Pale Ale „Hopfenstar“. Auch bei den großen Brauern wird experimentiert, bestätigt Waldhaus-Sprecher Martin Gruner: „Da können sich die Brau-
meister richtig austoben.“

Fotos: © Till Neumann, Waldhaus, Felix Groteloh