Küchenkünstler am Bahngleis: Riehles Rebstock in Scherzingen GASTRO & GUSTO | 10.08.2022 | Erika Weisser

Hans Riehle am Kochen

Mit seiner feinen Kochkunst hat Hans Riehle bereits in Merzhausen und in Ebringen zu kulinarischen Ausflügen verlockt. Seit zwei Jahren bringt er in Riehles Rebstock in Scherzingen Badisches auf die Teller, immer wieder auch mit peppigen Impulsen aus anderen Kochkulturen.

Das kleine Gasthaus mit der gemütlichen Terrasse ist nur einen Steinwurf von der Rheintalstrecke entfernt. Die Züge, die alle paar Minuten vorbeirasen, stören indessen nicht: Die schmackhaften Speisen auf den Tellern rücken den ohnehin durch eine Schallschutzwand gedämpften Lärm sehr, sehr weit weg. Hans Riehle, der mit seiner Familie das Dachgeschoss des Gasthauses bewohnt, hat sich längst an die Züge gewöhnt. Der 63-Jährige ist seit Juli 2020 Pächter des Lokals, Eigentümerin ist die Gemeinde Ehrenkirchen. Und die war sehr froh, als sich mit Riehle, der sich in den 34 Jahren seiner Berufstätigkeit als selbstständiger Gastronom in der Region einen exzellenten Ruf erkocht hatte, ein geeigneter Nachfolger für Sabine Geißler fand, die mit ihrer urbadischen Küche 25 Jahre lang die Wirtin des Hauses war.

Die badische Küche hat Riehle „natürlich auch drauf“ und zwar allerbestens: 26 Jahre war er als Küchenchef im Grünen Baum in Merzhausen, ab 2011 im Gasthaus Rebstock Stube in Ebringen – die regionale Küche beherrscht er routiniert. Das beweisen die gerösteten Leberle mit Brägele, die mit einem angenehm wohltemperierten Beilagensalat auf den blank gebürsteten, lediglich mit einem freundlichen Blumentöpfchen dekorierten Holztisch kommen. Die geschnetzelte Rinderleber ist genau so, wie sie sein muss – egal, welche der drei auf der Tageskarte angegebenen Varianten man wählt: mit fest konturiertem, aber nicht hartem Äußerem und zartem, saftigem, auf der Zunge geradezu dahinschmelzendem Innerem.

Die Terasse von Riehles Rebstock

Ergänzt wird dieser Hochgenuss mit Brägele, den badischen Bratkartoffeln, die ebenfalls kaum besser sein könnten: nicht zu dünn, nicht zu dick, knusprig gebraten und mit al-dente-weichem Kern. Der Küchenkünstler kocht die Kartoffeln, die er von regionalen Landwirten bezieht, grundsätzlich am Tag vor ihrer Zubereitung ab. „Wenn sie geschält und als Ganzes über Nacht ruhen können, weisen die Schnittflächen sehr viel weniger Stärke auf als bei unmittelbar nach dem Kochen in Scheiben geschnittenen Knollen. Und dann bleibt beim Anbraten der Karamelisierungseffekt aus, die Brägele werden nicht schwarz, sondern kross und krustig“, verrät Riehle, der pro Monat etwa einen Zentner Kartoffeln verarbeitet. Brägele gibt es auch zum Hällischen Schnitzel, zum Cordon Bleu vom Kalb, zum Rumpsteak oder zum angemachten Kalbstafelspitz und zum Wurstsalat. Die letzteren Gerichte werden selbstverständlich auch nur mit Brot serviert, das er selbst backt. Auch die Nudeln stammen aus eigener Produktion – etwa die Mohnspätzle, die Riehle zum Kalbsgeschnetzelten serviert. Oder die Nudeln mit Gorgonzola, Birne und Spinat.

Baden trifft Karibik

Küchengeheimnisse habe er nicht, sagt der Vollblutkoch – und offenbart ohne Umschweife sein Rezept für eine ganz besondere Variation seiner oft nachgefragten Rinderlebergerichte. Pro Woche schneidet er sorgfältig sechs bis zehn Kilo dieser ziemlich empfindlichen, keineswegs zu verachtenden Innerei klein. „Leber creolisch“ (s. Rezept des Monats) nennt Hans Riehle seine Kreation, die beweist, dass er „auch anders kann als badisch“. Dieses höchst schmackhafte Gericht hat der gelernte und in vielerlei kulinarischen Welten erfahrene Koch „einfach mal so ausprobiert“. Inzwischen gehört dieses gelungene „Crossover zweier Kochkulturen“ ebenso wie das gleichfalls kreolische Jambalaya zum festen Bestandteil des Angebots, das er in seiner Küche quasi alleine zaubert: Sie ist einfach zu klein für zwei Köche, hat lediglich noch Platz für seine Schwester Ursula. Sie ist für die Salate zuständig, die zu jedem warmen Hauptgericht auf den Tisch kommen. 

Die Gästeräume von Riehles Rebstock

Der Hof, die Gasträume und die Terrasse (o.) von Riehles Rebstock sind einfach, aber gemütlich ausgestattet: Schnickschnack ist Hans Riehles Sache nicht – auch nicht auf dem Teller.

Obwohl er „nur zwei Hände“ hat, werden die vier verschiedenen Gerichte, die am Tisch bestellt wurden und die als Beilage auch Bulgur, Reis und selbst gemachte Nudeln haben, gleichzeitig serviert – von zwei sehr zugewandten jungen Servierern. Und bald darauf werden auch die Leute am Nachbartisch ebenso simultan bedient. Vom Stress, den dieses Kunststück verursacht haben muss, ist hier draußen im gemütlichen Garten nichts zu spüren. Zumal wirklich alles, was aufgetischt wird, äußerst schmackhaft und auch mengenmäßig genau richtig ist. Die stets frisch zubereiteten Speisen machen angenehm satt – und sind obendrein zu moderaten Preisen zu haben.

„Wir können alles. Außer Pommes“

Das alles sei eine Frage der Organisation, erklärt Riehle. Kochen bestehe „zu 80 Prozent aus Arbeitsorganisation“. Es sei aber auch eine Frage des Anspruchs: So wie man zu Hause mit der Familie oder mit Gästen gemeinsam esse, so soll es in seinem Restaurant sein. Essen sei schließlich auch ein kommunikatives Erlebnis. Und da es zudem gesund, verträglich und nicht zu üppig sein soll, hält er Zusatzstoffe „so gering wie möglich“, verwendet vorwiegend regionale Erzeugnisse der jeweiligen Saison und verzichtet sowohl auf Convenience-Produkte als auch auf Frittiertes. „Wir können alles. Außer Pommes und Parkplatz“, lacht er – und verweist auf ein Problem, mit dem er schon in Riehles Rebstock in Ebringen zu kämpfen hatte: mangelnde Parkmöglichkeiten für die Gäste, die auch aus Freiburg und der Umgebung zu ihm kommen.

Der Auslastung der knapp 50 Plätze im Garten und auf der Terrasse ist dies nicht anzumerken: Fast alle Stühle sind an diesem lauen Sommerabend besetzt; offenbar nimmt man gern ein paar Schritte Fußweg in Kauf, um in den Genuss von Riehles Kochkünsten zu kommen. Die hat er sich im „trialen System“ erworben, schmunzelt er: Während der Lehre im längst nicht mehr existierenden „Engel“ in Horben hat der gebürtige Merzhausener „Schaffen gelernt“, im Anschluss daran lernte er im Sternelokal von Rosa Tschudi in Zürich „wie man richtig kocht“. Und in den knapp zwei Jahren in Mexiko, in einem nicht weit von Acapulco entfernten Touristenrestaurant, lernte er schließlich das Improvisieren. Alle drei Komponenten beherrscht er bis heute bestens.

Gericht Creolische Leber

Rezept des Monats von Riehles Rebstock

Creolische Leber

Für 4 Personen

150 g fein geschnittene Lauchzwiebeln (oder Lauch)
150 g gewürfelte reife Tomaten
100 g blättrig geschnittene Champignons
1 TL creolisches Grundgewürz (s.r.)
2 EL Sweet-Chili-Sauce (Asia-Shop); Rosenpaprika geht auch
1 EL Tomatenmark (oder 2 EL selbst gemachtes Ketchup)
50 ml brauner Rinderfond (Riehle macht ihn selbst)
20 ml Balsamico-Essig
wenig Salz oder gekörnte
Gemüsebrühe

Das Gemüse und die Gewürze zusammen in einer Kasserolle oder Pfanne mit hohem Rand bis zum Siedepunkt erhitzen und warm halten.

Die Leber in einer schweren Pfanne mit wenig Öl von allen Seiten bei hoher Hitze kurz anbraten, salzen und zu der warmen Gemüsesauce geben. Achtung: Das Ganze nicht mehr aufkochen.

Creolisches Grundgewürz

50 g Cayennepfeffer gemahlen
50 g Kokosflocken
3 Pimentkörner & 1 getrocknetes Limettenblatt, fein gemahlen

Alles zusammen in einer trockenen Pfanne auf kleiner Hitze unter ständigem Rühren dunkel rösten. Ergibt 100 g Gewürz, kann in einem Schraubglas aufbewahrt und auch für andere Gerichte verwendet werden. Je nach Schärfewunsch kann die zugegebene Menge variieren.

INFO:
Riehles Rebstock
Lindenstraße 11
79238 Ehrenkirchen-Scherzingen
Tel.: 0 76 64/6 05 98
www.riehles-rebstock.jimdo.com

Öffnungszeiten:
Di.–Fr. 17–22 Uhr
Sa. 12–22 Uhr
Sonntag und Montag Ruhetage

Fotos: © Erika Weisser