Mit Feuer & Herz – Gasthaus Hirschen in Obereggenen GASTRO & GUSTO | 09.12.2022

Gasthaus Hirschen Obereggenen

Im Frühjahr verwandelt sich das Eggenertal im Süden des Markgräflerlandes in ein Meer aus weißrosa Blüten. Mittendrin, in Obereggenen, lädt das Gasthaus Hirschen das ganze Jahr über zu einem selten gewordenen Genusserlebnis: Hier gibt es gutbürgerliche Küche in Reinkultur.

Mit weißem Tischtuch und Stoffservietten ist die Tafel schön eingedeckt, die heiße Nudelsuppe kommt einfach so in der Schüssel dampfend auf den Tisch. Wer die Stoffserviette zunächst züchtig über die Knie gebreitet hat, macht es bald den Stammgästen nach: Die stopfen sich das Stöffchen oben in Hemd oder Bluse, wohl wissend, dass Kleckern dann kein Problem mehr ist. Nichts trübt den Genuss beim sonntäglichen Mittagstisch im Hirschen – und die Suppe taucht am Ende nicht einmal auf der Rechnung auf. Nach diesem leckeren Auftakt ist längst noch nicht Schluss mit den Geschmacksfreuden. Sensationell die selbst gemachten Pommes frites zum Hauptgang. Aus frischen Kartoffeln, zweimal frittiert, sind sie eine Rarität in der Gastronomie. Der wuchtige Hebelschneider kommt sonntags nicht zur Ruhe, denn 40 Kilo Kartoffeln gehen schon mal weg im Hirschen.

Am Herd steht seit über 30 Jahren Elisabeth Brucker, die ersten Jahre noch zusammen mit ihrer Schwiegermutter. Seit 22 Jahren ist sie allein verantwortlich für die traditionellen Köstlichkeiten, für Ochsenbäckle, Suppenfleisch, Schnitzel und Steaks. Am Dienstag ist Leberletag, am Mittwoch gibt’s Kutteln. Die Kalbshaxe stand ursprünglich nur am Wochenende auf der Karte. So beliebt, wie sie bei den Gästen ist, bekommt man sie jetzt immer, allerdings nur auf Vorbestellung. Denn die Garzeit beträgt bis zu drei Stunden. Wer es selbst probieren will – die Zutatenliste für den Drei-Stunden-Leckerbissen ist verblüffend kurz. Außer der Haxe selbst sind es nur zwei Karotten und zwei Zwiebeln, das war es schon. Lorbeerblätter, Knoblauch, Piment, vielleicht auch Wacholder – keiner der üblichen Verdächtigen, wenn es um den Wohlgeschmack eines Schmorgerichtes geht, wird im Hirschen zu Hilfe gerufen, nicht einmal Weißwein. Worin liegt also das Geheimnis? Die „Haxe muss weich sein“, sagt die Küchenchefin, „deshalb braucht sie so lange“. Ungewöhnlich ist auch das zweimalige Ablöschen.

Elisabeth Brucker freurt mit Holz den Ofen an

Gute Zutaten, viel Zeit

Ein Blick in die Küche verrät noch etwas mehr. Denn der wichtigste Partner von Elisabeth Brucker ist ihr Holzherd, ein Ungetüm mit dicker Eisenplatte, der lange vor ihrer eigenen Zeit in der Küche Einzug hielt. Wie die Schwiegermutter erzählte, sei der „neue“ Herd irgendwann in den 1960er-Jahren geliefert worden. So ein Holzherd verlangt besondere Zuwendung, damit er seine Qualitäten ausspielen kann, vor allem Zeit. Er ist, wenn man so will, das Gegenteil einer Induktionskochplatte oder eines Gasherdes. Morgens, bevor es mit dem Kochen losgeht, wird angeheizt. Holzscheite werden in der Brennkammer entzündet, und bis das Feuer ordentlich brennt, vergeht leicht eine halbe Stunde. Drehknöpfe zum Einstellen der Temperatur sucht man vergebens. Links über der Brennkammer ist die Platte am heißesten, nach rechts nimmt die Hitze ab, das ist schon alles. Geregelt wird durch Herumschieben der Töpfe und Pfannen auf der großen Platte. Eigentlich ganz einfach, doch es ist Übungssache, bis man die heißen und weniger heißen Stellen gut kennt und damit arbeiten kann.

Auch der schöne Kachelofen in der Gaststube ist nicht nur zur Zierde da. Immer freitags wird in ihm Bauernbrot gebacken. Wenige einfache, gute Zutaten und Zeit – das ist auch beim Brot das Qualitätsgeheimnis. „Ein Päckle Hefe, drei Kilo Mehl“, das schmeckt „schon anders“, strahlt Elisabeth Brucker – und mit anders meint sie „besser“ als das Brot aus dem Gasbackofen.

In der gemütlichen Gaststube lässt es sich köstlich schlemmen. In der Küche zaubern Elisabeth Brucker (l.) und ihr ­Schwiegersohn Stefan Brucker (r.).

In der gemütlichen Gaststube lässt es sich köstlich schlemmen. In der Küche zaubern Elisabeth Brucker (l.) und ihr ­Schwiegersohn Stefan Brucker (r.).

Immer waren es Frauen, die die Küche im Hirschen stemmten, und niemals ausgebildete Köchinnen. Zum Jahresende wird mit beiden Traditionen gebrochen. Denn mit Stefan Brucker tritt zum ersten Mal ein Mann und ein ausgebildeter Koch in die großen Fußstapfen von Elisabeth Brucker – ihr Schwiegersohn. Und so wird mit der dritten Tradition des Hauses nicht gebrochen, denn die Küche bleibt in Familienregie. 200 Jahre lang ist das so, seit 1821. Stefan Brucker, der schon seit zwei Jahren mitmischt, hat das gut verstanden und will „auf keinen Fall alles umkrempeln“. Es soll so bleiben, wie es ist und „schmecken wie bei Oma“. Was er ändern wolle, habe er schon umgesetzt: Einmal in der Woche kocht Brucker einen Jus aus Knochen, Gemüse und Wein. 24 Stunden köchelt die Brühe, dabei wird auch das Letzte an Geschmack aus den Zutaten herausgeholt, eine Prozedur, die eine Saucenbasis für fast alle Fleischgerichte liefert und zum Standard guter Gastronomie gehört, aber wegen des Aufwands längst nicht mehr überall praktiziert wird. „So eine Sauce hat einfach mehr Kraft“, sagt Brucker. Wenige gute Zutaten, viel Zeit beim Zubereiten – gute Aussichten für den Hirschen: Es sieht so aus, als kämen in Zukunft das Beste von Hausmannskost und Profiküche zusammen.

Kalbshaxe mit Gemüse

Rezept des Monats Vom Gasthaus Hirschen

Kalbshaxe mit Gemüse

Für 4 Personen

1 Kalbshaxe (1,5–1,8 kg)
2 Karotten
2 Zwiebeln
Salz
Pfeffer
1 Blumenkohl
4 Karotten
250 g Rosenkohl

Kalbshaxe salzen und pfeffern. Rundherum in einem Schmortopf oder Bräter mit gut schließendem Deckel gründlich anbraten. Klein geschnittene Zwiebeln und Karotten hinzufügen und kurz mit­schmoren. Mit etwas Wasser ab­löschen. Einkochen lassen. Erneut ablöschen, so, dass die Flüssigkeit im Bräter etwa 3 Zentimeter hoch steht. Mit Deckel verschließen und in den mit 250 Grad vorgeheizten Ofen (Ober-/Unterhitze) stellen. Je nach Größe beträgt die Garzeit 2,5 bis 3 Stunden. Zwischendurch wenden und gegen Ende der Zeit den Gargrad mit einer Gabel prüfen. Rund 15 Minuten vor Ende den Deckel vom Bräter abnehmen, damit sich eine schöne Kruste bilden kann. Wenn heller Fleischsaft austritt, ist die Haxe gar.

Blumenkohl in Röschen zerteilen, Karotten in dünne Scheiben schneiden, Rosenkohl am Strunk kürzen und äußere Blätter entfernen. ­Gemüse separat in leicht gesalzenem Wasser bissfest kochen, ­Karotten in Butter schwenken.

Wenn die Haxe gar ist, sofort aufschneiden, anrichten, mit der Sauce aus dem Topf benetzen und mit Gemüse und Pommes frites servieren.

INFO:
Gasthaus Hirschen
Bürgler Straße 10
79418 Obereggenen
Tel.: 07635/1372


Öffnungszeiten:
Di.–So. 17 bis 20.30 Uhr
Mi. & So. auch Mittagstisch von 12–14 Uhr
Montag Ruhetag

Fotos: © Stephan Elsemann; privat