Rausch der Bilder: Gasthäuser und ihre Aushängeschilder GASTRO & GUSTO | 01.12.2022 | Kornelia Stinn

Kaiserstühler Hof Breisach

Wenn im Winter die Rebstöcke kahl in den Himmel ragen, wuchern auf Wirtshausschildern weiterhin Wein & Co. Bilderstark servieren sie ein Menü historischer Delikatessen aus der Wirtshauskultur.

Schmiedeeiserne Aushängeschilder verbreiten nicht nur das Flair besonderer Gastlichkeit, sie erzählen spannende Geschichten: Nicht weit von den mittelalterlichen Mauern Burkheims entfernt erstrahlt heute in sonnigem Gelb das Hotel-Restaurant Kreuz-Post. Sein schmiedeeisernes Wirtshausschild lockt hungrige Wanderer in die gemütliche Gaststube. Es entstand um 1970. Das Gasthaus wurde 1809 gebaut, an der Stelle, wo man die verfallene Kapelle Zum Heiligen Kreuz abgerissen hatte. Darauf weist das Kreuz in der Mitte des Aushängers hin. Trauben und Weinlaub umranken ein goldenes Posthorn: Es war im Jahr 1850, als in diesem Hause eine Brief- und Postexpedition eröffnete.

Kreuz Post Burkheim

Mit goldenem Horn: Auf eine Wirtschaft mit Poststelle verweisen die Aushänger vom Kaiserstühler Hof in Breisach (ganz oben) und vom Hotel-Restaurant Kreuz-Post in Burkheim (oben).

Bis ins vergangene Jahrhundert haben immer wieder Gasthäuser die Aufgabe einer Poststelle übernommen. Das war etwa auch der Fall beim Gasthaus Ochsen in Schallstadt- Wolfenweiler, wo sich hinter dem Wirtshausschild mit dem namensgebenden Ochsen Rebhänge schlängeln. Auf dem opulenten von 1925 stammenden Aushänger des Kaiserstühler Hofes in Breisach hingegen fällt eine edle Karosse ins Auge, die vor der Kulisse des Münsterberges in der Sonne glänzt.

Aushängeschilder gehören neben Wandmalereien und Tafelbildern zu den ältesten Bildsymbolen. Bereits im alten Rom luden Bilder mit Weinranken, Amphoren oder Darstellungen des Weingotts Bacchus an Tavernen und Gasthäusern zur Einkehr.

Wasenweiler Kaiserstuhl Gasthof zur Sonne

Altes Schmuckstück: Das Wirtshausschild der „Sonne“ in Wasenweiler datiert von 1792.

Königschaffhausen Zum Adler

Vorderösterreichischer Doppeladler auf dem Aushänger vom Weinhotel Adler in Königschaffhausen.

Als im Mittelalter zunehmend Pilger und Händler unterwegs waren, eröffneten an deren Routen Wirtshäuser. In jener Zeit, wo es noch keine Straßennamen und Hausnummern gab, halfen Aushängeschilder den Reisenden, sich zu orientieren. Viele Symbole versprachen Schutz beim beschwerlichen Unterwegssein, indem sie die Attribute von Heiligen aufriefen: Der Schlüssel verweist auf Petrus; Adler, Löwe, Engel, Stier oder Ochse auf die Evangelisten Johannes, Markus, Matthäus und Lukas. Die wichtigste Aufgabe der Aushänger war aber noch bis ins 19. Jahrhundert, die Schilderberechtigung zu dokumentieren – dem Gast, der ja oftmals nicht lesen konnte, anzuzeigen, dass eben dieser Wirt amtlich berechtigt war, Gäste zu beherbergen und zu verköstigen. Ralf Gut vom Landgasthaus Zum Hecht in Bahlingen hat noch eine solche historische Urkunde in seiner Gaststätte hängen.

Gasthaus Zum Kopf Riegel

Römische Spuren am Gasthaus Kopf in Riegel.

Die hölzernen, oft bunt bemalten Schilder aus dem Mittelalter haben die Zeiten nur als Abbilder in Büchern überdauert. Die später aufkommenden schmiedeeisernen Aushänger hatten eine längere Lebensdauer: Manche Wirtshausschilder am Kaiserstuhl haben mehr als hundert Jahre auf dem Buckel. Das edel glänzende Aushängeschild des Gasthauses Zur Sonne in Wasenweiler schmückt sich gar mit der Jahreszahl 1792!

Rüdiger Baptist vom Weinhotel Adler in Königschaffhausen vermutet, dass sein Wirtshaushänger mit dem vorderösterreichischen Doppeladler und dem weinseligen Mönch über hundert Jahre alt sein muss. Im Gewölbe seines Weinkellers findet sich die Jahreszahl 1820. Sein Haus liegt an einer alten Römerstraße, die ins Elsass führt. Gut möglich, dass an diesem Ort Reisenden schon in frühen Zeiten Lagerstätte geboten wurde.

Kork Landgasthof Schwanen

Die Tradition lebt: Helmut Schneider vom Handwerksmuseum in Kork hat Gasthäuser seiner Heimatgemeinde neu mit schmiedeeisernen Wirtshausschildern nach alten Vorbildern ausgestattet.

Da immer wieder alte Wirtshausschilder durch Leuchtreklamen oder einfachere Schilder ersetzt wurden, machte sich Helmut Schneider vom Handwerksmuseum in Kork daran, selbst zahlreiche schmiedeeiserne Exemplare nach altem Vorbild zu entwerfen. Die neuen „alten“ Schilder, wie zum Beispiel das des Landgasthaus Schwanen und des Restaurant Hirsch, haben inzwischen seine Heimatgemeinde zum Aushängeschild der Wirtshausschilder gemacht.

Kunstschmiedearbeiten haben ihren Preis. „Bei einer Neuanfertigung sprechen wir schnell mal von 30.000 Euro“, sagt Ralf Gut, der aktuell sein Schild erneuern ließ. Dies bestätigt auch der Kunstschmied Georg Baschnagel in Grafenhausen, von dem das voluminöse, im Boden verankerte Werbeschild des Gasthauses Bergsee in Titisee aus dem Jahre 1983 stammt.

Gasthaus Rebstock Bahlingen

Allein dem Wein gewidmet sind die Aushänger vom Restaurant Kühler Krug in Freiburg-Günterstal (unten) und vom Rebstock in Bahlingen (oben).

Kühler Krug Günterstal Foto

Glücklich schätzen konnte sich ein Wirt wie Willi Reck in Riegel, der Schlossermeister war und gleich noch eine Schmiede im eigenen Hof hatte. Er war ab 1943 Besitzer der Gaststätte Zum Kopf. Im Jahre 1839 hatte das Gasthaus das lorbeerbekränzte Königshaupt, das auch das Gemeindewappen von Riegel schmückt, im Wirtshausschild übernommen. Als Historiker herausfanden, dass das Bild stattdessen das mit einem geschlungenen Tuch versehene Kopfbildnis eines Römers zeigt, aktualisierte Reck sein Wirtshausschild dahingehend.

Eine prominente Rolle spielen übrigens immer wieder Trauben und Reben auf den Wirtshausschildern. Jenes des Hotel-Restaurant Kühler Krug in Freiburg-Günterstal oder Aushänger zahlreicher Gasthäuser Zum Rebstock wie etwa das des Rebstock in Bahlingen sind sogar ausschließlich diesem Thema gewidmet – fast wie bei den alten Römern.

Fotos: © Winfried Stinn, Kornelia Stinn, Rainer Ullrich