Clash der Generationen: Wie fremd sind sich Jung und Alt? Gesellschaft | 18.10.2020 | Silas Georg & Laurin Schlenker

Generationen

„Früher hätte es sowas nicht gegeben.“ Ein Spruch, den jeder junge Mensch schon einmal gehört haben dürfte. Der Schlachtruf der neuen Generation lautet „Ok, Boomer“. Aber sind alte Menschen bloß griesgrämige Nörgler und starrt die Jugend nur aufs Smartphone? Ein Student und ein Rentner diskutieren fürs f79. Beide spüren einen Generations-Graben, finden aber auch Gemeinsamkeiten. 

„Ich als alter Sack habe trotz meines hohen Alters einen gesunden Kontakt zu jungen Menschen“, sagt Wolfgang Lorenz, der selbst zwei Kinder hat. Der 72-jährige Wirtschaftslehrer aus Freiburg sieht in Diskussionen kaum Unterschiede zwischen Jung und Alt. Gerade in der Informationsbeschaffung merke er eine tiefe Kluft. Zeitschriften und Magazine würden die junge Generation kaum noch erreichen. Auf der anderen Seite sehe er zahlreiche Senioren, die Social Media praktisch nicht nutzten.

„Ich habe das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren ein Generationskonflikt aufgetan hat“, bestätigt Simon Sumbert. Der 21-Jährige ist Freiburgs jüngster Stadtrat. Er bemerke im Alltag oft, dass Missstände von Jungen angeprangert werden, die Sach­kritik von älteren Menschen­ aber oftmals als persönliche Kritik verstanden werde. Vor allem in der Kritik am Klimawandel sähen viele ältere Menschen einen direkten Angriff auf ihre Lebensweise und fühlten sich dadurch von den Jüngeren gekränkt. Er hat das Gefühl, dass sich der Abstand in den letzten Jahrzehnten vergrößert hat. Einen Grund dafür sieht er in der Digitalisierung.

„Alte Menschen werden durch die Digitalisierung abgehängt und haben keine Möglichkeit, sich weiterzubilden“, sagt der Politikstudent, der im Juni 2019 mit dem Youtuber Rezo das Spiegel-Cover zierte. Dinge veränderten sich immer schneller, wodurch sich die Lebensrealitäten der Jungen stark von denen der Älteren unterscheiden. „Und das war vor 50 Jahren eben noch nicht so“, meint Sumbert.

Lorenz stimmt zu. Laut dem Lehrer sollte man Menschen ab 50 stetig weiterbilden und nicht aufgrund des Alters als unbrauchbar einstufen. Alles andere sei verschwendetes Potenzial. In Sachen Produktivität stellt er fest: „Am produktivsten sind die 18- bis 22-Jährigen, dann bekommen diese Leute Kinder und die Produktionskurve flacht ab, bis sie ab 50 wieder aufwärts geht. Da sind die Kinder aus dem Haus.“ Beide haben jedoch mit Vorurteilen zu kämpfen und werden vollständig unterschätzt, meint Lorenz. Er meint: „Die besten Verbündeten, die die Jugend haben kann, sind vielleicht die Alten.“

Sumbert sieht jedoch ein Problem in einer gesellschaftlichen Blasenbildung, die durch soziale Medien und andere Faktoren entsteht: „Die Entstehung solcher Bubbles verhindert den Kontakt zwischen verschiedenen Altersgruppen. Unser Ziel muss es sein, diesen Prozess aufzuhalten und dafür zu sorgen, dass wieder mehr Dialog zwischen den Generationen herrscht. Ein entscheidender Punkt, um das Problem zu lösen, ist meiner Meinung nach, dass man in der Kultur oder im Sport Möglichkeiten schafft, wo Leute zusammenkommen.“ Ansonsten sei man sehr vom Alltag in Beschlag genommen. „Fritz Keller sagte einmal, der Fußball sei das letzte wirkliche Lagerfeuer der Gesellschaft“, so Sumbert.

Lorenz sieht das auch so: „Meines Erachtens nach sollte die jüngere Generation die ältere Generation viel stärker mit an Bord nehmen.“ Diese sehe in den Jungen ihre Enkel und wolle eigentlich haben, dass es denen besser geht. „Man kann sich mit den Alten sehr wohl verbünden, auch politisch. Eher als mit der Eltern-Generation“, sagt Lorenz. Auch politisch sieht er noch Potenziale. An anderer Stelle fehle der Kitt: „Die Familie driftet auseinander. Früher gab es zum Beispiel Tischgemeinschaften, bei denen man sich austauschen konnte.“ Das alles finde nicht mehr statt.

 

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