Des einen Müll ist des anderen Gürtel Gesellschaft | 29.05.2021 | Pascal Lienhard

Upcycling Kreativ gegen den Müllkonsum: So geht Upcycling

Die Zahlen sind beeindruckend: Nach Schätzungen werden jährlich weltweit 150 Milliarden Kleidungsstücke produziert – und 200 Millionen Tonnen weggeworfen. Diese Bilanz kann Upcycling verbessern. Auch in Freiburg wird gewerkelt. Ein Besuch.

Wer durch die Freiburger Grünwälderstraße spaziert, läuft auch an dem Laden „Die Nische“ vorbei. Mit drei Gleichgesinnten betreibt Dominik Meutzner den Shop für Upcycling, Streetart, Streetwear, Schmuck und Unikate aus der Region. Fürs Upcycling interessiert er sich schon lange: Ende 2013 hatte Meutzner seine „Schwarzwald Guerilla“ gegründet.

Der Name impliziert Kampf und Revolution. „Ich finde das sehr treffend, da ich mit vergleichsweise kleinen und ungewöhnlichen Mitteln dem Müll den Kampf ansage und versuche, Leute zu inspirieren, es mir gleichzutun“, erzählt Meutzner. Der 40-Jährige ist von den Möglichkeiten des Upcyclings begeistert: Das Besondere daran sei es, ausrangierten Gegenständen und Dingen auf kreative Art neues Leben einzuhauchen. „Man kann sich künstlerisch und handwerklich betätigen und gleichzeitig etwas Nachhaltiges machen.“ Dass die Produkte eben nicht makellos sind, mache den Charme aus. Egal, ob es sich um Glasflaschen handelt, die er zu Lampen, Trinkgläsern, Vasen oder Windlichtern umfunktioniert, oder um andere von ihm genutzte Materialien wie Schallplatten, Tennisschläger, Besteck oder Konservendosen.

Von rundherum aufpolierten Produkten hält auch das Duo hinter der Freiburger „Stückgut Manufaktur“ wenig. Dominikus Probst und Lorenz Buchholz entwerfen in ihrer Werkstatt auf dem Ganter-Areal Einrichtungsgegenstände. Neben Schubladen und anderen gebrauchten Dingen haben es ihnen Koffer angetan. Spätestens durch den Siegeszug des Trolleys ist das Reiseutensil aus den meisten Haushalten verbannt worden. Die Freiburger hauchen ihm in Form von Koffertischen neues Leben ein.

„Alte Koffer haben eine Geschichte, da wäre es doch schade, sie einfach zu entsorgen“, erklärt Probst. Der 62-Jährige, der eigentlich Kameramann und Filmregisseur ist, erinnert sich an viele Geschichten. „In einem alten Stück haben wir einen Packzettel gefunden, den eine Mutter ihrem Sohn geschrieben hatte.“ Keine Frage: Der Zettel musste drinbleiben. Wer ein aufpoliertes, neues Produkt will, dürfte sich ohnehin nicht für die „Stückgut Manufaktur“ interessieren. Wie bei Meutzner ist auch hier die Authentizität wichtiger.

Das gilt auch für Lisa Vöhringer. Für das Upcycling ist sie seit 2010 Feuer und Flamme, unter dem Namen „Morendo Memoria“ motzt sie alte Gegenstände auf. Viele Jahre war sie in Freiburg tätig und hat drei Mal die „FREI-CYCLE Designmesse für Recycling und Upcycling“ mit der Freiburger Messegesellschaft veranstaltet. Die 34-Jährige ist nicht nur Upcycling-Designerin, sondern auch Kreativexpertin beim „ARD-Buffet“ und „Kaffe oder Tee“, Workshopleiterin und DIY-Bloggerin.

Vöhringer erschafft aus liebgewonnenen Materialien ihrer Kundschaft neue Produkte: Der geflickte Fahrradschlauch, der an eine Tour erinnert, wird zum Gürtel, aus der liebgewonnenen, aber heillos zerkratzten Schallplatte eine Schale oder ein Notizbuch. „Für die Geschichten, die mir die Menschen erzählen, mache ich das“, erklärt sie. „Das fehlt mir aktuell besonders.“ Doch auch der Kampf gegen den Müll ist für sie entscheidend: „Der Umweltgedanke war mir schon immer sehr wichtig.“

Corona schränkt auch die Upcycler ein. Es ist etwas anderes, einen Artikel nur im Internet zu begutachten oder ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Und es ist auch schwieriger geworden, an Materialien zu kommen. Doch Meutzner, Probst, Buchholz und Vöhringer bleiben dem Upcycling treu. Und wer weiß, was nach der Krise aus dem Maskenvorrat wird? Ein Upcycling-Produkt aus FFP2-Masken? Mit liebgewordenen Erinnerungen hätte das nichts mehr zu tun.

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