Gemeinschaftswohnen mit Vertrauen und Sympathie Gesellschaft | 08.04.2021 | Liliane Herzberg

Gelbes Haus

Von der Idee bis zum gemeinschaftlichen Leben: Die alternativen Wohnkonzepte in der Region sind so vielfältig wie die Menschen, die sie gestalten. Drei Frauen geben Einblick in ihren Erfahrungsschatz.

„Der Rückhalt unserer Gemeinschaft ist groß“, freut sich Cornelia Grothe. Zusammen mit ihrem Partner und drei gemeinsamen Kindern lebt sie in der Villa Nostra in Bad Krozingen, einem bereits 1996 gegründeten Projekt des Mietshäuser Syndikats. 2015 hatte sich die kleine Familie auf die Suche nach einer größeren Wohnung gemacht und stieß auf die Villa. Aus Interesse wurde Begeisterung, es folgte schließlich die Bewerbung und erste Kennenlern-Treffen. „Geld ist beim Einzug kein Thema, es geht mehr um Vertrauen, um Sympathie, gemeinsame Lebensvorstellungen und die Zeit, die man bereit ist, in die Gemeinschaft zu investieren.“

Acht Erwachsene und sechs Kinder leben zusammen in den vier Wohnungen der Villa Nostra. Jeder hat seinen privaten Wohnungs- und Rückzugsort, gemeinschaftliche Räume wie der Garten oder die Werkstatt werden geteilt. „Wir haben aber eigentlich schon meist offene Türen, vor allem die Kinder halten sich viel in allen Wohnungen auf“, so die 39-Jährige. Wenn sich die Bedürfnisse – etwa durch das Alter oder den Auszug des Nachwuchses – verändern, seien die Wohnräume durch unterschiedliche Zuschnitte variierbar. „Gerade wohnen hier Menschen im Alter zwischen zwei und 42 Jahren. Aber bis vor Kurzem ging das Alter noch bis 60 Jahre.“

Bewohner eines Hauses zusammen im Garten

Die Bewohnerinnen und Bewohner der Villa Nostra verbringen viel Zeit zusammen. Wer sich zurückziehen möchte, kann das aber jederzeit tun.

Die Besonderheit: Das Projekt ist autonom und gehört denen, die darin wohnen. Die Mieter und Mieterinnen sind Gesellschafter der Villa Nostra GmbH – in Form eines Hausvereins. Sie bestimmen etwa die Höhe der Miete, wer einzieht, wie das Projekt finanziert, umgebaut oder renoviert werden soll. Der zweite Gesellschafter ist das Mietshäuser Syndikat als Kontrollfunktion – ein Bindeglied von mehr als 150 Projekten und Initiativen in ganz Deutschland. Der Grund: Wer Teil des Syndikats ist, steht ein gegen Privatisierung. Damit Bewohnende also nicht einfach beschließen, ihr Heim zu verkaufen, hat das Syndikat ein Vetorecht – dieses ist aber beschränkt auf wenige Grundsatzbeschlüsse. Bei Bedarf oder Neugründung unterstützen oder beraten sich die Mitglieder mit Erfahrung und Know-how, zusätzlich zahlen alle Beiträge in einen Solidarfonds, mit dem unter anderem neue Projekte unterstützt werden können.

Buntes Miteinander

Der Fokus gemeinschaftlicher Wohnprojekte liegt wie bei dem Konzept in Bad Krozingen meist auf Solidarität und einem friedlichen, aber bunten Miteinander. Alter, Herkunft oder Größe des Geldbeutels – das alles soll in der Regel keine Rolle spielen, nicht selten legen die Mitglieder Wert auf Nachhaltigkeit. Besonders in der REGIO gibt es solche Ideen in Hülle und Fülle – allein zum Mietshäuser Syndikat gehören hier 24 Projekte und zwei Initiativen. Interessierte wissen aber dennoch häufig nicht, wo sie die Suche beginnen sollen.

Einige wandten und wenden sich deshalb immer noch an die Wohngenossenschaft Vauban eG (Genova). Die wurde 1997 von einer Gruppe Motivierter gegründet. Gemeinsam sollte selbstbestimmtes und -verwaltetes Wohnen in dem neuen Stadtteil ermöglicht werden. Von Anfang an war außerdem geplant, generationsübergreifend – also barrierefrei – zu bauen. Aus dem Traum wurde Wirklichkeit: Heute leben in vier Wohnhäusern 111 Erwachsene und 25 Kinder im Alter von fünf bis neunzig Jahren. „Wir haben so viele Anfragen, die wir gar nicht bedienen können“, bedauert Annette Brox, Gründungsmitglied und langjährige Bewohnerin der Genova-Häuser. Momentan ist dort bis auf Weiteres Aufnahmestopp. Einige Bewerbende haben deshalb die Wohngenossenschaft Esche eG gegründet, die 70 bezahlbare Wohnungen im neuen Freiburger Stadtquartier Kleineschholz plant. Interessierte können dort aktuell noch Mitglieder werden und das Projekt unterstützen.

Die Größenordnung einer eigenen Genossenschaftsgründung muss es aber gar nicht immer sein: „Jedes Projekt ist sein eigenes kleines Universum“, findet Eva-Maria Kreis vom Netzwerk für gemeinschaftliches Wohnen (Gewo-Netz) – eine Plattform mit Gesuchen und Angeboten von Freiburg bis Lörrach, im Schwarzwald und im Elsass. „Mir geht es auch viel um den Erfahrungsaustausch rund um Architekten, die passende Genossenschaft oder Fördermöglichkeiten.“ Eine Altersbeschränkung gebe es bei den einzelnen Projekten nicht, „alle Menschen von null bis unendlich können mitmachen“.

Bei den meisten Projekten geht es um ein Miteinander, darum, kreativen und für alle Generationen gerechten Wohnraum gemeinsam zu gestalten. Die 71-Jährige selbst ist Teil des im Aufbau befindlichen Wohnhofs am Bächleweg. Dort sollen 18 Wohnungen auf einem ehemaligen Winzerhof entstehen, offen für Familien und Alleinstehende, für Jung und Alt. Egal ob wohnen, gründen, teilhaben oder netzwerken: Es gehe darum, neue Dinge in die Welt zu bringen. Denn die Möglichkeiten sind vielfältig und die Größe sowie Ausrichtung eines Projekts genauso individuell wie die Menschen, die in ihm leben.

Fotos: © Cornelia Grothe,  Lucia Perona