Kinderrechte ins Grundgesetz: Mehr Möglichkeiten der Teilhabe an wichtigen Entscheidungen Gesellschaft | 29.03.2021 | Erika Weisser

Kinderkreide

Mehr als 30 Jahre sind vergangen, seit mit der UN-Kinderrechtskonvention ein Regelwerk für weltweite Respektierung der Rechte von Kindern geschaffen wurde. Diese Übereinkunft legt wesentliche Standards zu ihrem Schutz fest und betont die Wichtigkeit ihres Wohlergehens und der Wahrung ihrer Interessen. Am 2. September 1990 trat sie in Kraft, inzwischen wurde sie – mit Ausnahme der USA – von allen UN-Mitgliedstaaten ratifiziert. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF formuliert zehn Grundrechte, zu denen Fürsorge und Gesundheit, Bildung und Ausbildung, Privatsphäre und gewaltfreie Erziehung, Freizeit und Erholung, der Schutz vor Diskriminierung und Verfolgung ebenso gehören wie ein sicheres Zuhause und das Recht, sich mitzuteilen und gehört zu werden.

Im Februar 1992 stimmte der Bundestag der Kinderrechtskonvention zu, seither ist dieser völkerrechtliche Vertrag auch in Deutschland geltendes Recht – und ist als Bundesgesetz dem Grundgesetz (GG) untergeordnet, das über allen anderen Rechtsnormen steht. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes empfiehlt den Mitgliedsstaaten indessen, spezifische Kinderrechte ausdrücklich in den jeweiligen Verfassungen zu verankern. In Deutschland ist das bisher noch nicht geschehen. In Artikel 6 GG werden Kinder zwar erwähnt, jedoch lediglich als Erziehungsobjekt der Eltern.

1993 stellte die SPD einen Antrag für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz – und scheiterte. 1994 gründeten UNICEF Deutschland, der Deutsche Kinderschutzbund, das Deutsche Kinderhilfswerk und andere Verbände das „Aktionsbündnis Kinderrechte“, das sich seither für eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes einsetzt. Schließlich verständigte sich die jetzige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag darauf, den UN-Auftrag noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Am 20. Januar 2021 legte sie einen Gesetzesentwurf vor. Danach soll der Artikel 6 (2) GG erweitert werden, so, dass Kinder als besonders schutzbedürftig, gleichzeitig aber als Persönlichkeiten mit eigenen Grundrechten anerkannt werden (Ergänzung kursiv): „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“

Für eine Änderung des Grundgesetzes braucht es in Bundestag und Bundesrat jeweils eine Zweidrittelmehrheit. Das Vorhaben kann also nur mit Stimmen aus der Opposition verabschiedet werden – und da gibt es Kritik. Diese kommt auch vom Aktionsbündnis: In einer Stellungnahme heißt es, dass der Vorschlag „unzureichend“ sei und dessen Formulierungen zum Kindeswohl sowie zum Recht des Kindes auf Beteiligung „hinter der UN-Kinderrechtskonvention und auch hinter der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückbleiben“. Das Kindeswohl müsse unbedingt vorrangig berücksichtigt werden, darüber hinaus solle „die Beteiligung von Kindern sich nicht auf das rechtliche Gehör beschränken“, sondern müsse als „umfassendes Beteiligungsrecht“ formuliert werden.

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