„Mittelpunkt meiner Erde“: Pilot Kai Naujokat sieht die Welt seit mehr als 30 Jahren von oben Gesellschaft | 13.07.2021 | Philip Thomas & Liliane Herzberg

Hubschrauber

Um die Potenziale der Tiefengeothermie zu untersuchen, ließ der Energieversorger Badenova unlängst einen Hubschrauber mit einem 30 Meter langen Pendel im Schlepptau vom Kaiserstuhl über Freiburg bis nach Müllheim fliegen. 120 Stundenkilometer schnell und 330 Meter über dem Boden. Ein Projekt für einen erfahrenen Piloten: Kai Naujokat ist Geschäftsführer der Helicopter Training + Charter GmbH (HTC) und kennt den Himmel genau.

„Jeder Flug ist anders“, berichtet Kai Naujokat im Tower des Flugplatzes Donaueschingen-Villingen. Eines hätten alle gemeinsam: „Egal, wie lang – jeder Flug erfordert absolute Konzentration. Ich scanne permanent. Um den Fokus aufrecht zu halten, schaue ich alle fünf Minuten auf meine Instrumente“, erklärt er.

Knapp 17.000 Stunden hat Naujokat seit dem Abschluss seiner Pilotenausbildung im Jahr 1988 in der Luft verbracht. 1990 gründete er seine eigene Flugschule. „Heute weiß ich, dass die Familie das Wichtigste ist, aber 20 Jahre lang war das Fliegen der Mittelpunkt meiner Erde“, sagt er. Der Pilot schwelgt von Aufträgen in Tunesien und Marokko. „Ich liebe die Wüste, die Berge und das Meer. Sie strahlen für mich unendliche Weite aus.“

Seine längste Reise führte Naujokat von Stuttgart bis nach Indien. „Zweimal zweieinhalb Wochen haben wir gebraucht, um einen Hubschrauber zu überführen“, erinnert
er sich. Ein anderes Mal sei er für einen Freund 50 Stunden quer durch die Vereinigten Staaten geflogen. „Damals habe ich sowas gemacht, ohne mit der Wimper zu zucken“, kommentiert er.

Pilot

Erfahrener Pilot: Kai Naujokat fliegt seit 1988.

Nicht immer waren die Bedingungen optimal: „Trotz Wetterfreigabe kam ich in einen starken Schneeschauer und war gezwungen, notzulanden.“ Bis auf 800 Meter Sicht
dürfen Hubschrauber starten, eine Außenlandung ist nur im äußersten Notfall und mit Genehmigung gestattet. Zweimal seien die Hubschraubertriebwerke ausgefallen
– der absolute Worst Case. „Dadurch, dass unsere Schüler Notlandungen lernen, wurde der Boden sicher erreicht.“

Es gehe beim Fliegen immer auch um Risikominimierung. „Wenn Menschen unnötig in Gefahr kommen, lehne ich Aufträge ab“, sagt er. Mehr als 500 Privat- und Berufshelikopterpiloten sowie Fluglehrer hat die HTC bislang hervorgebracht. 32.000 Euro kostet die Ausbildung zum Privat-, 120.000 Euro zum Berufspiloten, allein 50 Flugstunden dauert die Grundausbildung.

Damit nicht genug: Die Absolventen müssen ihre Flugtauglichkeit in jährlichen Gesundheitschecks unter Beweis stellen – ab dem 40. Lebensjahr alle sechs Monate. „Da wird genau hingeguckt“, sagt Naujokat. Knapp 60 Liter Sprit schluckt ein Hubschrauber in der Stunde. Eine Minute in einer Privatmaschine kostet rund zehn Euro, ein Einsatz im Rettungshubschrauber etwa 90 Euro.Das macht Fliegen zu keiner preiswerten Beschäftigung. Naujokat bestätigt: „Die Aufgabe eines Hubschraubers ist es, Leben zu retten. Alles andere ist Luxus.“

Fotos: © pt / herz