Leere in der Lehre: Rechnungshof kritisiert Orchideenfächer – Uni Freiburg widerspricht Hochschule | 25.10.2024 | Philip Thomas

Slawistik, Ägyptologie, Islamische Studien. In mehr als 120 Masterstudiengänge im Südwesten schreiben sich jährlich weniger als zehn Personen ein. Der Landesrechnungshof fordert, die schwach besetzten Fächer zu streichen. Die Uni Freiburg sieht „Handlungsbedarf“, hält aber nichts von Untergrenzen.
„Es ist wirtschaftlich nicht vertretbar, dass einige baden-württembergische Hochschulen dauerhaft Masterstudiengänge anbieten, die auf keine oder fast keine Nachfrage stoßen“, urteilt der Landesrechnungshof nach einer Untersuchung von rund 700 Masterstudiengängen.
Betroffen sind vor allem Geisteswissenschaften. Bei 39 der 147 Fächer betrug die Auslastung an den Unis weniger als 50 Prozent. In einzelne Fächer immatrikulierten sich in sieben Studienjahren insgesamt – sieben Studienanfänger. In andere Disziplinen schrieb sich in fünf von sieben Studienjahren kein einziger Student ein. „Teilweise entsprachen die Masterstudiengänge eher dem Profil einzelner Professuren als dem Bedarf der Studierenden“, formulierten die Rechnungsprüfer in ihrer Denkschrift durchaus spitzzüngig.
Drei der zehn landesweit am wenigsten nachgefragten Masterstudiengänge gibt es laut Rechnungshof-Sprecherin Eva Weik an der Freiburger Uni: vorderasiatische Altertumskunde, Judaistik, Klassische Philologie mit jeweils weniger als sieben Studienanfängern in sieben Jahren.
Das Rektorat am Fahnenbergplatz nimmt das Dokument aus Karlsruhe ernst. „Im Sinne einer strategischen Weiterentwicklung erkennen wir Handlungsbedarfe, die wir in den kommenden Monaten weiter prüfen und ausarbeiten werden“, erklärt Uni-Sprecherin Rimma Gerenstein.
Mit Steuergeldern gehe die Bildungseinrichtung gewissenhaft um. Festgeschrieben sind diese Mittel im sogenannten Hochschulfinanzierungsvertrag. Der aktuelle Kontrakt beschert zwischen 2021 und 2025 zusätzlich zu Geldquellen aus Industrieverträgen 1,8 Milliarden Euro für insgesamt 45 staatliche Hochschulen und fünf medizinische Fakultäten im Land.
Ein Etat für den Freiburger Lehrbetrieb lässt sich laut Gerenstein nicht ermitteln, weil Lehre, Forschung und Weiterbildung unmittelbar verbunden sind. Studiengängen sei außerdem kein eigenes Budget oder Lehrpersonal zugewiesen. Klar ist aber: „Es handelt sich zu weiten Teilen um Landesmittel.“
Einfach hinnehmen will die Universität den Denkzettel aber nicht. Die Aufgabe von Universitäten sei gemäß Landeshochschulgesetz eben auch „die Pflege und Entwicklung der Wissenschaften“. Gerenstein gibt zu bedenken: „Die Vielfalt der Disziplinen bildet die Basis für den Erfolg der Universitäten in Forschung, Lehre und Transfer.“ Für die Uni Freiburg sind nackte Bewerberzahlen kein aussagekräftiger Maßstab für die Attraktivität eines Studiengangs. Die Nachfrage schwanke nach gesellschaftlichen Entwicklungen. „Kleine Fächer“ seien nicht zwingend unwirtschaftlich.
Die vom Rechnungshof empfohlene Standort-Zusammenlegung von nachfrageschwachen Studiengängen halten die Freiburger für „nicht sinnvoll umsetzbar“. Auch eine Änderung des Landeshochschulgesetzes, wonach Masterstudiengänge gestrichen werden, wenn in drei aufeinanderfolgenden Jahren insgesamt weniger als 20 Personen ein Studium aufgenommen haben, lehnt die Uni ab. Gerenstein sieht „wesentliche Faktoren nicht berücksichtigt“.
Von solch einer Änderung betroffen seien auch junge oder jene Studienfächer mit hoher Absolventen-Nachfrage. Die vom Rechnungshof ausgemachten Cluster sind allerdings nicht darunter: „Aktuell lässt sich das zum Beispiel in den Ingenieurwissenschaften oder im Lehramt in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern beobachten.“
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