Die letzte Verrücktheit: Der Flohmarkt von Madame Claire Kinonews | 02.05.2019 | ewei

Kinofilm Der Flohmarkt von Madame Claire

Claire Darling lebt allein in einem herrschaftlichen Haus auf dem Land im Süden Frankreichs. Sie ist nicht mehr die Jüngste und auch schon ziemlich vergesslich; sie trinkt gern Tee und raucht viel.

Oft spricht sie mit sich selbst, gelegentlich auch mit den vielen wertvollen Porzellanpuppen, die ihre einsame, mit kostbaren Erinnerungsstücken, exquisiten Antiquitäten und allerhand mechanischem Spielzeug vollgestopfte Wohnung bevölkern.

Zunächst ist über den Verbleib von Claires Familie nichts zu erfahren, doch allmählich wird klar, dass über ihrer ganzen Lebensgeschichte einige dunkle Geheimnisse liegen: Die alte Dame scheint selbst in ihren lichten Momenten von einer tiefen Melancholie und Trauer durchdrungen zu sein; sie wirkt so, als habe sie sich lediglich vor einer sie belastenden und verfolgenden Realität in die Demenz geflüchtet. So ist es auch an dem Morgen, an dem sie nach einer unruhigen und alptraumhaften Nacht nicht mehr von dem Gedanken loskommt, dass sie den nächsten Tag nicht mehr erleben wird.

Diese wachsende Überzeugung löst in ihr eine lange nicht gekannte Aktivität aus – und den Wunsch, endlich Ordnung in ihr Leben zu bringen, in dem seit langem Stillstand herrscht. Mit der Hilfe einiger junger Männer aus dem Dorf schleppt sie ihren ganzen Hausrat mitsamt den teuren Möbeln, Gemälden, Teppichen, Puppen und Büchern in den Hof, hängt ein Flohmarkt-Schild an das weit geöffnete Tor – und wartet auf Kund-schaft. Die lässt nicht lange auf sich warten. Es spricht sich schnell herum, dass hier wertvolle Sammlerstücke verschleudert werden. Bald herrscht reges Treiben und Handeln auf dem riesigen, ansonsten so einsamen und abgeschotteten Grundstück.

Auch Sophie, eine frühere Schulfreundin von Claires Tochter Marie, ist unter den Schnäppchenjägern. Doch angesichts der offenbaren Orientierungslosigkeit Claires beginnt sie, sich Sorgen zu machen und ruft Marie um Hilfe. Die beiden hatten viele Jahre keinen Kontakt, ihr Verhältnis ist, wie bei ihrer ersten Begegnung zu spüren ist, zutiefst gestört. Nur zögerlich gehen sie aufeinander zu, klammern in ihren kurzen Dialogen jegliche Gefühle und Erinnerungen sowie gegenseitige Vorwürfe und Verdächtigungen aus. Diese kommen trotzdem ans Licht: Inmitten der kaufwütigen Flohmarkt-Kundschaft begeben sich die beiden Frauen, jede für sich, auf eine schmerzhafte Reise in die Vergangenheit, die es ermöglicht, dass sich Mutter und Tochter mit ihrer tragischen Vergangenheit auseinandersetzen und sich so miteinander versöhnen können.

Ein außergewöhnlicher Film, der ein ganzes Leben zu subtilen Momentaufnahmen verdichtet, die an einem einzigen Tag nacherlebt werden. Großartig in Szene gesetzt von Catherine Deneuve und Chiara Mastroianni, die auch im echten Leben Mutter und Tochter sind.

Der Flohmarkt von Madame Claire 
Frankreich 2018
Regie: Julie Bertuccelli
Mit: Catherine Deneuve, Chiara Mastroianni, Alice Taglioni, Samir Guesmi u. a. 
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 95 Minuten
Start: 2. Mai 2019
Trailer:

Foto: ©  Filmpresse