Flammende Leidenschaft: Paweł Pawlikowskis neuer Film projiziert menschliche auf politische Abgründe Kinonews | 20.11.2018 | Erika Weisser

Drei Jahre nach seinem grandiosen Film „Ida“, für den er den Auslands-Oscar und mehr als 60 internationale Auszeichnungen erhielt, bringt Paweł Pawlikowski ein weiteres Meisterwerk in die Kinos: „Cold War – der Breitengrad der Liebe“.

Erzählt wird die Geschichte der zutiefst komplizierten und höchst beflügelnden poetischen Liebe zwischen zwei Menschen, die offenbar füreinander geschaffen sind, aber nicht wirklich miteinander leben können. Die Geschichte einer flammenden Leidenschaft, die letztlich an äußeren Grenzen und innerer Zerrissenheit scheitert und doch niemals ganz erlischt.

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ist der junge Pianist und Komponist Wiktor mit seiner ­Partnerin Irena in der polnischen Provinz unterwegs, um nach jungen Talenten für den Aufbau eines volkstümlichen ­Musik- und Tanzensembles zu ­suchen. Bei einem Vorsingtermin treffen sie auf die talentierte Zula – und Irena bemerkt noch vor Wiktor, dass er sich in diese geheimnisvolle junge Frau verliebt.

Unter Hinweis auf deren kriminelle Vergangenheit versucht sie noch, seine Gefühle aufzuhalten, doch es ist bereits um ihn geschehen: Zula wird nicht nur der Star der Folkloregruppe Mazurek, sondern auch Wiktors neue Geliebte.

Bald feiert Mazurek große Erfolge. Diese sind allerdings nicht allein der hohen musikalischen Qualität zu verdanken: Mit heldenhaften Hymnen zu Ehren Stalins erarbeitet sich das Ensemble nicht nur die wohlwollende staatliche Förderung, sondern auch die Teilnahme an den „Weltfestspielen der Jugend und Studenten“ in Ost-Berlin. Wiktor will diesen Auftritt für eine gemeinsame Flucht mit Zula nutzen. Doch als sie nicht am verabredeten Ort erscheint, geht er ohne sie über die offene Grenze nach West-Berlin.

In den folgenden Jahren kommt es zwar zu wenigen kurzen und heimlichen Begegnungen – Wiktor lebt als Jazz-Pianist in Paris, Zula ist hin und wieder mit Mazurek auf Konzertreisen in Europa –, doch hindern die politischen Verhältnisse die beiden stets daran, sich auf ihre nach wie vor alles verzehrende Liebe zueinander einzulassen. Und als der unerfüllbare Traum von einem Zusammenleben durch Zulas Scheinheirat mit einem italienischen Staatsbürger schließlich doch noch wahr wird, sind ihnen ihre eigenen Grenzen im Wege.

Ihre Erwartungen an sich und ihre Gefühle sind so hoch, dass die Enttäuschung vorprogrammiert ist. Von Misstrauen, Eifersucht und Zweifeln, aber auch von Zulas übermäßigem Alkoholkonsum und Wiktors Unbeherrschtheit zerrüttet, gelingt es ihnen nicht, eine tragfähige Basis für ihre Liebe zu finden.

Was für ein überwältigender Film! Er packt uns, nimmt uns mit zu den berauschenden Gipfeln und quälenden Abgründen von Liebe und Leidenschaft, lässt uns mit Zula und Wiktor hoffen, leiden, bangen. Und wirkt unglaublich lange nach. Ein feinfühliges Kunstwerk. 

Cold War – der Breitengrad der Liebe
Polen/Großbritannien/Frankreich 2018
Regie: Paweł Pawlikowski
Mit: Joanna Kulig, Tomasz Kot, Borys Szyc u.a.
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 89 Minuten
Start: 22. November 2018
Trailer:

Fotos: © Neue Visionen