Kino-Tipp: Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück Kinonews | 18.02.2016

Auf das in den 1970er Jahren sehr gebräuchliche Genre des Polit-Thrillers greift Florian Gallenberger in seiner neuen Kinoproduktion zurück. Es passt: „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ spielt selbst in jenen bewegten Jahren; der reale Hintergrund für die fiktive Geschichte ist der am 11. September 1973 erfolgte Militärputsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende und die erste Zeit der Diktatur von General Augusto Pinochet.

Die fließenden Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit erzeugen dabei eine Spannung, die den Blick auf die zeitgeschichtlichen politischen Verhältnisse öffnet: Die Realität stellt sich durch die darin eingebettete erfundene persönliche (Liebes-) Geschichte umso krasser dar, während diese Geschichte im Zusammenhang mit den „wirklichen“ Ereignissen an Plausibilität gewinnt – sie hätte genau so passieren können. Und: Vielleicht ist sie auch passiert – wir wissen es nur nicht.

Über den Ort, den Gallenberger als Schauplatz für seinen Film wählt, wissen wir tatsächlich nicht besonders viel. Denn bis in die 1990er Jahre war die 1961 vom deutschen Sektenprediger Paul Schäfer und seinen Anhängern gegründete und mit eiserner Hand geführte Colonia Dignidad im Süden des Landes ein hermetisch abgeschottetes Terrain, von dessen Innenleben hinter unüberwindbaren Stacheldrahtzäunen nur wenig zu erfahren war. Über dieses während Pinochets Diktatur als landwirtschaftlicher Musterbetrieb angepriesene Anwesen gelangten fast keine Informationen nach außen. Und auch fast keine Menschen: Wer einmal dort war, kam nicht mehr heraus. Höchstens unter großer Lebensgefahr.

Diese Erfahrung machen auch die beiden Protagonisten in Gallenbergers Film, Lena (Emma Watson) und Daniel (Daniel Brühl), ein deutsches Liebespaar, das zum Zeitpunkt des Putsches gerade in der Hauptstadt Santiago weilt. Am Morgen danach werden sie aufgegriffen; Daniel wird von einem Spitzel als Sympathisant Allendes denunziert und auf die Colonia gebracht, wo er in den Folterkellern, die Schäfer (auch in Wirklichkeit) der Militärjunta zur Verfügung stellte, brutalst gequält wird. Lena beschließt, ihn zu befreien und schließt sich unter Vorspiegelung anderer Beweggründe der Sekte an – und erlebt bald den blanken Horror. Schäfer (Mikael Nyqvist) entpuppt sich als sadistischer Kinderschänder und Meister des Psycho-Terrors, der sich damit rühmt, die „wahre Kunst der Folter“ zu praktizieren: Nämlich die, die keine Spuren hinterlässt.

Der Film geht trotz gelegentlicher Ungereimtheiten sehr nahe. Das liegt vor allem an den Hauptdarstellern Emma Watson, Daniel Brühl und Mikael Nyqvist, die überzeugend spielen, was wirklich hätte geschehen können.

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Colonia Dignidad –Es gibt kein Zurück
Deutschland 2015
Regie: Florian Gallenberger
Mit: Emma Watson , D. Brühl u.a.
Verleih: Majestic Filmverleih
Laufzeit: 110 Minuten
Start: 18.2.2016

Text: Erika Weisser / Fotos: © Majestic, © Ricardo Vaz Palma