Leben an der Schiene: Eine märchenhafte Geschichte – ganz ohne Dialoge erzählt Kinonews | 05.03.2019 | Erika Weisser

Nurlan ist Lokomotivführer bei der aserbaidschanischen Eisenbahn. Täglich legt der freundlichen, aber äußerst wortkarge ältere Mann zwischen dem Hafen der am Kaspischen Meer gelegenen Hauptstadt Baku und der Vorgebirgszone des Kaukasus große Strecken zurück.

Stundenlang ist er unterwegs, allein mit sich, seinem endlos langen Güterzug und der gewaltigen Natur. Tagelang: In sein zwar ausgesprochen malerisches, doch weit ab- und sehr hochgelegenes Dorf, das er nur zu Fuß erreichen kann, kommt er nur selten.

Selten und spärlich sind denn auch seine Kontakte zu anderen Menschen, denen er indessen stets wohlgesonnen begegnet. Etwa einer Weichenstellerin, die Nurlan zum Zeitvertreib gerne Streiche spielt. Oder seinem ziemlich skurrilen Adjutanten, den er in den letzten Tagen vor seiner Pensionierung geduldig in die Geheimnisse des Lokführermetiers einweiht. Sehr gerne mag er wohl auch eine junge Schäferin in seinem Dorf, die ihrerseits ihr Herz an ein bezauberndes braunes Lämmchen verloren hat.

Ganz besonders hat es Nurlan jedoch der Waisenjunge Aziz angetan, der im Bakuer Vorort „Shanghai“ in einer Hundehütte wohnt und immer dafür sorgt, dass der Zug den schmalen Abstand zwischen den dicht am Geleise gebauten Häusern ohne Hindernisse passieren kann: Sobald das Bahnsignal auf Grün schaltet, rennt Aziz trillerpfeifend los, jagt alles davon, was sich auf den Schienen tummelt – teetrinkende Männer, spielende Kinder und Frauen, die im letzten Moment ihre Wäsche von der Leine reißen. Dabei bleibt so manches Wäschestück an der Lok hängen; auf der letzten Fahrt vor der Pensionierung ist es gar ein zartblauer spitzenbesetzter BH.

Nach ein paar Tagen in der Einsamkeit seines Dorfes geht er zurück in die Stadt und macht sich auf die Suche nach der Besitzerin. Er will das Fundstück – wie er es immer getan hat – zurückbringen, hofft aber insgeheim auch auf Zuwendung. Er gerät indessen in unterschiedliche Frauenwelten, die ihm nicht recht verständlich sind. Und an eine Horde eifersüchtiger Ehemänner.

Ein märchenhafter Film, der zugleich heiter und melancholisch ist und durch das Weglassen von Dialogen einen ganz besonderen Reiz hat. 

Vom Lokführer, der die Liebe suchte
Aserbaidschan 2018
Regie: Veit Helmer
Mit: Miki Manojlovic, Denis Lavant, Maia Morgenstern u.a.
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 90 Minuten
Start: 7. März 2019
Trailer:

Fotos: © Neue Visionen