Schachlegende: "Das Talent des Genesis Potini" ab heute im Kino Kinonews | 16.06.2016

Früher wurde Genesis Potini „Dark Horse“ genannt. Da gab es kein Schachspiel, kein Schachturnier, das der hünenhafte Mann nicht gewonnen hätte. Doch dann verlor der ausnahmetalentierte Spieler, der als Maori zu den Underdogs der neuseeländischen Gesellschaft gehörte, zusehends die Kontrolle – nicht über das Spiel, sondern über sein Leben: Er erlitt einen Nervenzusammenbruch; die folgenden depressiven Verstimmungen mit psychotischen Schüben sorgten wiederholt für längere Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken. Die Diagnose einer starken bipolaren Störung mündete schließlich in die Prognose, dass Genesis nicht in der Lage sei, seinen Lebensalltag allein zu bewältigen.
 

 
Die Handlung des Films setzt zu dem Zeitpunkt ein, da „Gen“ – wie in seinem wirklichen Leben – wieder einmal vor der Entlassung steht. Und sich mangels anderer Angehöriger in die Obhut seines Bruders Ariki begeben muss, mit dem er schon lange nichts mehr zu tun hat und der diese Aufgabe nur widerwillig übernimmt: Zwar hat er ihm in fernen Kindertagen die Welt des Schachs eröffnet, doch inzwischen ist er längst Mitglied einer äußerst gewalttätigen Biker-Gang. Leicht aufbrausend ist er, unberechenbar und brutal; er bringt also nicht die Eigenschaften mit, die „Gen“ braucht, um sich ein stabilisierendes Leben ohne Stimmungsschwankungen, ohne Stress und ohne Unsicherheiten aufzubauen. Kein Wunder also, dass die beiden Brüder es nicht lange miteinander aushalten. Zumal Ariki auch fürchtet, dass sein Sohn Mana, den er als Mitglied der Gang rekrutieren und abhärten will, zu sehr in den positiven Einfluss seines Onkels gerät.
 
Das kann er indessen nicht verhindern: Als „Gen“ beginnt, mit einer Gruppe randständiger Youngsters den Schachclub „Eastern Knights“ aufzubauen und ihnen gar in Aussicht stellt, an der vorwiegend mit privilegierten Jugendlichen beschickten Juniorenmeisterschaft in Auckland teilzunehmen, ist Mana mit von der Partie. Obwohl er dafür brutale Schläge und Erniedrigungen seitens der Mitglieder der väterlichen Gang einstecken muss.
 

 
Doch die „Eastern Knights“ sind nicht mehr aufzuhalten: Nachdem die widerspenstigen, völlig unstrukturierten Kids in „Gen“ zum ersten Mal in ihrem Leben einem Menschen begegnen, der ihnen vorbehaltlos vertraut, sind sie bald Feuer und Flamme für ihn – und das Schachspiel. Und für Zusammenhalt, für das Gefühl, auch als Maori nicht minder-, sondern gleichwertig zu sein.
 
James Napier Robertson hat einen ganz ausgezeichneten Film über diese Phase des Lebens von Genesis Potini geschaffen. Er starb vor fünf Jahren. Die „Eastern Knights“ gibt es immer noch.
 
Text: Erika Weisser / Fotos: © Koch Films