Stillstand als Dauerzustand: Ein kluger Film über den Kreislauf der Gewalt Kinonews | 11.07.2018 | Erika Weisser

Zunächst ist die Kühlerhaube eines Militärfahrzeugs zu sehen, das sich über unwegsames Gelände bewegt. Dann folgt die Großaufnahme eines Fingers, der auf einen Klingelknopf drückt.

Als die zugehörige Wohnungstür geöffnet wird, erscheint das Gesicht einer Frau, die zusammenbricht, als sie erfasst, welche Botschaft die beiden noch schweigenden uniformierten Besucher mitbringen. Denen – und uns Kinobesuchern – bleibt der Blick auf eine moderne Schwarz-Weiß-Grafik, die wie ein ins Bodenlose führendes Labyrinth wirkt.

Die Uniformierten fangen die Frau gerade noch auf, verpassen ihr eine Beruhigungsspritze und bringen sie ins Bett. Vom Wohnzimmer aus beobachtet ein sichtlich schockierter und völlig erstarrter Mann die Szenerie. Er löst sich nicht aus der Schockstarre, als die Soldaten ihm mitteilen, dass sein Sohn Jonathan in Ausübung seiner landesverteidigenden Pflichten „leider gefallen“ sei. Wie in Trance lässt Jonathans Vater Michael die eingeübten Ratschläge und Beileidsbekundungen über sich ergehen und legt sich, als die ungebetenen Besucher endlich weg sind, neben seine schlafende Frau Dafna.

Er lässt seine wütende Verzweiflung an seinem Hund aus, lässt sich, um den inneren Schmerz mit dem äußeren zu betäuben, kochend heißes Wasser über den Handrücken laufen. Doch er wird Wut und Schmerz nicht los, findet keinen Trost. Weder bei seinem Bruder, der ihm Beistand anbietet, noch bei seiner Mutter, die er in ihrem Pflegeheim für Holocaust-Überlebende besucht. Und schon gar nicht bei dem Miltärrabbiner, der schließlich aufkreuzt. Sein Zorn verraucht nicht einmal, als er die Nachricht erhält, dass alles eine Verwechslung war.

Unter lautstarken Beschimpfungen des „ganzen militärischen Irrsinns“ fordert Michael die sofortige Rückkehr Jonathans, der mit drei anderen Wehrdienstpflichtigen einen Checkpoint im Niemandsland zwischen Israel und Palästina bewacht. Und der gerade unter einem türkis-rosafarbenen Abendhimmel mit seiner Gewehr-Partnerin einen skurrilen Foxtrott tanzt. Wobei er, gleichermaßen symbolisch für den politischen und militärischen Zustand des ganzen Landes, auf der Stelle tritt.

Tag für Tag hocken die vier Soldaten in und vor ihrem Container, erzählen sich die immer gleichen Geschichten, stochern lustlos im immer gleichen Dosenfutter, kanalisieren ihre Langeweile in überflüssige Hinhaltestrategien gegen die wenigen Palästinenser, die hier die Grenze passieren. Ihre Anspannung ist indessen spürbar – und bei einer der Kontrollen entlädt sie sich. Jonathan wird daraufhin in dem Fahrzeug, dessen Kühlerhaube zu Beginn des Films zu sehen war, zurück nach Tel Aviv gebracht. Ein vielschichtiger Antikriegsfilm. 

Foxtrot
Israel 2017
Regie: Samuel Moaz
Mit: Lior Ashkenazi, Sarah Adler, Yonatan Shiray u.a.
Verleih: NFP
Laufzeit: 113 Minuten
Start: 12. Juli 2018
Trailer: www.youtube.com

Fotos: © Giora Bejach